Das zweite Leben der Gloster Meteor F.Mk. IV in der Sowjetunion

Klingt wie ein Agentenroman aus der Zeit des „Kalten Krieges“, ist aber einfach nur die Geschichte einer Bausatzform im „Auf und Ab“ des real existieren sozialistischen Kapitalismus (!).
Ich meine die meist recht interessanten Details hinter der Geschichte der ehemaligen FROG-Spritzgussformen in der Sowjetunion – hier am Beispiel der Gloster Meteor F.Mk. IV

NOVO-Gloster-Meteor-Inland Das zweite Leben der Gloster Meteor F.Mk. IV in der Sowjetunion
Die Geschichte der 1:72er Gloster Meteor hinter dem „Eisernen Vorhang“ beginnt schon zu „Lebzeiten“ der Marke FROG, als Bausätze dieses Typs 1976 in die damalige CSSR exportiert wurden – wir reden von einer Zeit, als die Niederschlagung des „Prager Frühlings“ gerade einmal 9 Jahre her war und der Verkauf eines „imperialistischen“ Flugzeugmodelles im sozialistischen und friedliebenden „Bruderland“ eigentlich undenkbar gewesen sein sollte … so also gelangten Meteor in den neuen Schachteln in „den Osten“:
FROG-Gloster-Meteor-späte-Verpackungsvariante Das zweite Leben der Gloster Meteor F.Mk. IV in der Sowjetunion
Kleine Information am Rande: Nach 1976 gelangten auch Revell-Produkte auf den Inlandsmarkt der CSSR, während in Polen neben Revell auch Matchbox, Tamiya, Nitto und andere Produkte kurzzeitig im Angebot waren.

Doch zurück zu unserer Meteor…

Ende der 1960er Jahre gab es einen Formentausch mit Hasegawa und so konnten einige FROG Bausätze, auch unsere Gloster Meteor, unter dem Hasegawa-Label in Japan vermarktet werden!

Wie aber kam nun unsere Gloster Meteor in die Sowjetunion?

Seit 1974 ging der Absatz von FROG-Bausätzen massiv und kontinuierlich zurück und der damalige Eigentümer hatte die grandiose Idee, nicht mehr im kapitalistischen Westen, sondern in der Sowjetunion produzieren zu lassen, um Lohnkosten zu sparen.
Die Produktionsstättenverlagerung ist, wie man sieht, kein Phänomen des neuen Jahrtausend – der Verlockung Lohnkosten zu sparen, erlagen auch schon die Firmenchefs in den 1970er Jahren!

So kam es 1975 zu einer bis dahin einmaligen Vereinbarung: Ein großer Teil der Formen wurde in die damalige Sowjetunion überführt und die Produktion dort fortgesetzt.
Aus Kostengründen wurde auch die Farbigkeit der Decalbögen auf maximal 24 Farben reduziert.

Doch trotz der Ausreizung sämtlichen Sparpotenzials war bei FROG im November 1976 dann „Schicht im Schacht“ und der Firmeninhaber musste Insolvenz anmelden.

Aber was geschah mit unserer Meteor?

Die Formen der FROG-Bausätze waren ja in die Sowjetunion geschafft worden und sollten dort für FROG Gewinne erwirtschaften. Da FROG jedoch im November 1976 Geschichte war, trat der Nachfolger, die Firma „NOVO Toys“, auf den Plan:

NOVO-Gloster-Meteor-F.Mk_.IV-Deckelbild Das zweite Leben der Gloster Meteor F.Mk. IV in der Sowjetunion
Unter der Katalognummer 78077 mit einem an die ursprüngliche FROG-Box erinnernden Design war sie „im kapitalistischen Westen“ wieder zu haben.
Auch die Markierungsvarianten waren die gleichen wie in der FROG-Schachtel:

NOVO-Gloster-Meteor-F.Mk_.IV-Farbschemen Das zweite Leben der Gloster Meteor F.Mk. IV in der Sowjetunion
Die Zusammenarbeit mit dieser komplett britischen Firma, die ihren Namen vom sowjetischen Handelspartner „NOVOEXPORT“ herleitete, sollte leider nicht allzu lange dauern:
Schon im Februar 1980 stellte NOVO Ltd. seine Geschäftstätigkeit ein und die Restproduktion wurde noch bis Mitte 1980 auf den britischen Modellbaumarkt gebracht, bevor dann auch der FROG-Nachfolger endgültig die Tore schließen musste.

Und unsere Meteor?

Deren Formen ruhten und warteten darauf, dass ein sowjetischer Prinz sie wachküsste und wieder für märchenhafte Devisen sorgte.

NOVOEXPORT, das sowjetische Außenhandelsunternehmen für Kulturgüter, Kunstgegenstände und Spielwaren, sollte dann dieser Prinz sein – neben turkmenischen Teppichen und anderen „Souvenirs“, die für Deviseneinnahmen zu sorgen hatten, sollten nun auch wieder „PlastModelle“ die sozialistische Wirtschaft fördern.

Bereits im September 1982 wurde der Vertrieb von NOVOEXPORT-Bausätzen aus ehemaligen FROG-Formen über den Londoner Modell Shop CAPITAL MODELS SUPPLY organisiert.
Allerdings war Capital Models Supply längst insolvent und 1984 wurde die Zusammnearbeit nach erfolglosen Verhandlungen beendet.

Wieder lagen die FROG-Formen als „totes Kapital“ herum … aber ungenutzt waren sie nicht:
Offensichtlich wurde mit den Formen tatsächlich Bausätze produziert, die dann auf den typischen verschlungenen Wegen ab 1980 den Schwarz- und Tauschmarkt sowie sogar einige Ladentheken erreichten!

Eine der Produktionsstätten für FROG-/NOVO-Bausätze befand sich in Taschkent in der ehemaligen usbekischen Sowjetrepublik.
Und dort lagen auch die Formen für die Gloster Meteor…

meteor Das zweite Leben der Gloster Meteor F.Mk. IV in der Sowjetunion
Schlicht und einfach in einer Tüte verpackt, die, zugegebenermaßen, mit einer kindgerechten, weil bunten, Zeichnung des Jets daherkam, wies sie immerhin noch die alte FROG-Nummer F-200 auf und auch auf der Bauanleitung steht unten rechts die Nummer „F-200“ sowie sogar, um welchen Typ es sich handelt – „Flugzeug Meteor“:

FROG-F-200-Gloster-Meteor-F.Mk_.IV-Beipackzettel-Tschigrushka Das zweite Leben der Gloster Meteor F.Mk. IV in der Sowjetunion
Später wurde sie einfach nur noch als „Flugzeug“, teilweise mit der Bezeichnung F-200, aber auch mit interner Bezeichnung TG-213 in Plastiktüte für den Inlandsmarkt angeboten:

NOVO-Gloster-Meteor-Inland Das zweite Leben der Gloster Meteor F.Mk. IV in der Sowjetunion
Allerdings wurden die jeweiligen NOVO-Bausätze nur innerhalb der jeweiligen Sowjetrepubliken bzw. deren Produktionsorte angeboten, da die Herstellerfirmen den örtlichen Organen unterstanden.

Also gab es unsere Meteor offiziell nie in Mokau!

Von diesem Bausatz ist kein Export bekannt und sowohl DDR-Bürger als auch westdeutsche Touristen konnten diese und andere Schätze entweder im Detskij Mir in Moskau ergattern (wenn sie denn vorrätig und die netten Verkäuferinnen gewillt waren, die „Ansichtsexemplare“ – meist einhergehend mit einer unmissverständlichen Nachfrage nach Devisen- auch über die Ladentheke zu reichen!) oder im benachbarten sozialistischen Ausland gegen „harte“ Westbausätze eintauschen.

Ich persönlich fand es ungemein anregend, einmal die Geschichte eines Bausatzes nachzuverfolgen – zumal, wenn sie so schillernd ist wie die der meisten FROG-Bausätze.

Ich danke an dieser Stelle meinem lieben Freund und Modellbauer Matthias Muth für die unschätzbare Hilfe beim Zusammentragen der Fakten und für seine jahrelang gesammelten Bilder.

Und weil die Zusammenarbeit so viel Spaß gemacht hat, werden wir diese kleine Serie gewiss fortsetzen … wer weiß:
Die Vickers Vimy wäre da auch ein schöner Kandidat …

Dr. Michael Brodhaecker, Lingen