ICM liefert schon seit einiger Zeit auch Bewaffnungssets überwiegend aus Material, das schon vorher in Bausätzen enthalten war. Hier geht es nun um Abwurfbewaffnung der britischen Luftstreitkräfte im Zweiten Weltkrieg …
In diesem Falle sind es ein Lufttorpedo und diverse Bomben. Die aus dem Set herstellbaren Abwurfmittel sind an einer Kartonseite zusammengefasst:
Im Karton gibt es einen Spritzast für den Lufttorpedo mit Transportwagen und drei gleiche Spitzäste für die Bomben und deren Aufhängungen. Hinzu kommen die Bau- und Lackierungsanleitungen mit Hinweisen für die anzubringenden Decals, die wiederum auf einem Decalbogen versammelt sind:
Der Spritzast für den Lufttorpedo mit Transportwagen ist schon aus den Bausätzen der Bristol Beaufort bekannt. Wir haben ihn schon z. B. hier als Bausatzbestandteil vorgestellt …
https://www.kitreviewsonline.de/bristol-beaufort-mk-i-in-148-von-icm-48310/
… und auch hier als Einzelset:
https://www.kitreviewsonline.de/british-torpedo-with-trailer-in-148-von-icm-48405/
Der Spritzast ist unverändert:
Auch die zugehörige Bauanleitung ist unverändert und trägt noch die Seriennummer des Einzelsets:
Für weiterhin zutreffende zusätzliche Informationen zum Torpedo können wir auf die og. Links verweisen.
Die Bomben und deren Racks (Aufhängungen) finden sich an einem weiteren Spritzast „W“, der dreifach vorhanden ist. Es kann also allerhand zusammenkommen:
Die einzelnen Bauteile sind in der aktuellen Formenbau- und Spritztechnik von ICM fein detailliert und sind besser als in vielen vor allem älteren Bausätzen auch und gerade anderer Hersteller. Dort fristeten diese Bewaffnungsoptionen häufig ein Schattendasein. Umso bedauerlicher ist es, dass ICM es versäumt hat neben der reinen Bezeichnung der jeweiligen Abwurfwaffe genauere Hinweise zur Art und Technik und zur Verwendung zu geben. Angaben zum Zeitraum der Nutzung und wenigstens einiger Trägerflugzeuge wären hier hilfreich gewesen, fehlen aber ebenfalls komplett. Ich werde daher hier versuchen, einige Hinweise mit der Vorstellung der Bausatzteile zu verbinden.
Beginnen wir daher mit dem größten Teil, das aus dem Set hergestellt werden kann. Es ist eine „1.500 Ib Aerial Mine“, in jedem Ast ist eine hiervon enthalten. Das ist eine aus der Luft verlegte Seemine, die mit einem Fallschirm in nächtlichen Aktionen vor Häfen und in Schifffahrtsstraßen und Meerengen verlegt wurde. Das Gewicht beträgt in unseren Maßangaben 680 kg.
Bei meinen Recherchen um was für eine Mine es sich denn genau handelt, bin ich auf eine Seite im Internet gestoßen, die das Thema aus der Sicht der RAF umfassend behandelt und die ich der Leserschaft nicht vorenthalten möchte. Hier ist sie:
https://tailendcharlietedchurch.wordpress.com/operations/gardening-mine-laying/
Hier gibt es gleich beim ersten Farbfoto klare Hinweise auf die Lackierung, die mit den Angaben von ICM übereinstimmt. Auf einem weiteren Foto ist zu sehen, dass diese Mine auch auf dem Transportwagen, den wir oben im Torpedoset haben gefahren wurde. Etwas komfortabler war natürlich der Transport auf speziellen Mehrfachtransportwagen, die teilweise lange Züge auf den RAF-Basen bildeten. Diese gibt es aber – noch? – nicht von ICM.
Als Trägerflugzeuge kommen mit mehreren Minen im Schacht alle RAF Viermots, mit geringerer Zuladung die zweimotorigen Wellington, Hampden und Beaufort in Frage. Auch die Marineflieger des Fleet-Air-Arm benutzen diese Mine in Einzelaufhängung offen unter der Swordfish und der Albacore.
Die Mine wird aus dem Set aus vier Teilen zusammenbeklebt. Zwei halbrunde Röhren ergeben schon fast die ganze Mine:
Hinzu kommen die vordere Abdeckung und die obere Kappe des Fallschirmpacks, die die gefalteten Stoffbahnen schön wiedergibt:
Bei den Bomben müssen wir erstmal die Abkürzungen offenlegen. GP ist „General Purpose“ und ist wohl mit Mehrzweckbombe passend beschrieben. SAP als „Semi-Armor-Piercing“ beschreibt dagegen eine Bombe, die gegen leicht gepanzerte und einbetonierte Ziele Verwendung finden sollte und daher z. B. eine gehärtete Spitze und nur einen Heckzünder hatte. Diese Beschreibungen stammen noch aus der Zwischenkriegszeit, es gab auch noch Untervarianten mit Mk.-Nummern. Entsprechend sind diese Bomben im Schwerpunkt zu Kriegsbeginn und gerne auch auf Nebenschauplätzen eingesetzt worden und liefen dann aus. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges veränderte sich die Technik der Abwurfwaffen der RAF und die Bezeichnungspraxis mit vorstehenden Buchstaben wechselte auf Beschreibungen zu Gewichtsklassen. MC bedeutet hier dann „Medium Capacity“, also mittlere Kapazität/Größe/Wirkung und beschreibt Bomben, die im Laufe des Krieges eingeführt wurden und dann zu Standardwaffen wurden. Rein optisch unterscheiden sich die Bomben ebenfalls, die älteren Exemplare sind tropfenförmig, die späteren dann länglich gestreckt. Kommen wir also nun zu den einzelnen Exemplaren von denen je Ast zwei Exemplare enthalten sind.
Die GP 250 (ca. 113 kg) entsteht aus zwei sauber detaillierten Hälften für den Bombenkörper mit schönen Heck- und Kopfzündern und muss für das zylindrische Heckleitwerk noch weiter ergänzt werden:
Das Grunddesign ist damit auch für die GP 500 (ca. 227 kg) vorgegeben, hier besteht der Zylinder am Heck allerdings aus zwei Hälften. Auch hier ist die Ausführung hochwertig:
Die MC 250 (wieder ca. 113 kg) ist ähnlich aufgebaut und noch einen kleinen Tick besser ausgeführt. Durch die geringe Größe des Bombenkörpers im Verhältnis zum Heckleitwerk und den langen Zylinder wirkt diese Bombe noch etwas wie die älteren Exemplare:
Die MC 500 (wieder ca. 227 kg) vermittelt optisch einen moderneren Eindruck. Die Einzelteile bestehen hier nur noch aus zwei Hälften und einem schmalen Zylinder am Heck:
Da wir uns an die Reihenfolge von ICM halten, kommen wir zum Schluss zur SAP 250 (wieder ca. 113 kg) und damit wieder zu einem älteren Modell zurück. Hier gibt es korrekt keinen Kopfzünder, die Detaillierung ist auch hier wieder auf einem hohen Niveau:
An jedem Ast gibt es auch zwei unverkleidete Racks für die Aufhängung der Bomben am Flugzeug:
An diesen müssen noch verschiedenste Kleinstteile angeklebt werden, um sie an die jeweilige Verwendung anzupassen. Nach der Anleitung ist es möglich, die Racks (mit unterschiedlichen Teilen je nach Bombenart und -größe) für die Montage unter den Tragflächen (mit unterschiedlichen Teilen für die linke oder rechte Tragfläche) und innen oder außen in Bombenschächten unterschiedlich auszurüsten:
Leider fehlen auch hier darüber hinaus weiterführende Informationen in jeglicher Form. Ich habe mit meinen Möglichkeiten leider nur wenig Erkenntnisse erzielen können. In den Bombenschächten der RAF-Bomber finden sich derartige Racks auf jeden Fall. Allerdings je nach Typ in sehr unterschiedlichen Anordnungen. Hier muss man typspezifisch bei jedem Modellbauprojekt recherchieren.
Die Bombenracks der RAF unter den Tragflächen von Jagdbombern waren jedoch im Zweiten Weltkrieg nahezu immer verkleidet (wenn auch häufig beachtlich viel an Metallstäben herausschaut). Derartige unverkleidete Racks sind mir nur von der Westland Whirlwind bekannt. In der Zwischenkriegszeit war das anders. Ggf. könnte man die Racks aus diesem Set auch für eine Nachbildung von Wartungsarbeiten an den Racks selber verwenden.
Die Anleitung für den Ast mit den Bomben und den Racks trägt die Herstellerseriennummer dieses Sets und beginnt mit der Inhaltsübersicht und den Farbhinweisen:
Nachfolgend werden die einzelnen Bomben und die Racks nacheinander abgearbeitet. Der Zusammenbau ist sehr einfach:
Die Angaben für die Lackierung und die Decalanbringung finden sich gemeinsam auf dem letzten Blatt der Anleitung. Etwas überraschend sind die gelben Farben. Diese sind aber in Dokumenten für frühe Zeiträume und die entsprechenden GP 250 und auch SAP 250 durchaus belegt. Die Praxis ging mit Fortschreiten des Zweiten Weltkrieges jedoch zum einheitlichen Grün über:
Ich könnte mir vorstellen, dass wir den Spritzast für die Bomben und die Racks demnächst noch anderswo wieder finden. Vielleicht in einer Bomber- oder Minenlegervariante der Beaufort?? Lassen wir uns überraschen. Der tolle Bausatz der Beaufort wäre es wert.
Der Decalbogen ist an den Setinhalt gut und umfassend angepasst. Für alle Minen und Bomben gibt es mehrere Farbringe und auch Aufschriften. Alles ist sehr sauber ausgeführt und erzeugt einen realistischen Eindruck:
Das Set ist also bei Kenntnis der genaueren Hintergründe zeitlich recht umfassend einsetzbar. Auch z. B. für die Verwendung in der Vorkriegszeit, bei Auseinandersetzungen in den Kolonien, unter Doppeldeckern vor Erscheinen der Hurricane. Drei der Seeminen und jeweils sechs Bomben in fünf Varianten sind ein umfassender Inhalt. In Verbindung mit der Qualität der Ausführung ist es ein sehr ansprechendes und wertiges Angebot mit einer breiten Verwendungsmöglichkeit. Die Möglichkeiten zur Verwendung der Racks erfordern jedoch je nach Projekt erhebliche eigene Recherchen.
Den eigentlichen Wert machen daher die Abwurfwaffen aus, die gut und vor allem besser detailliert sind als aus der Masse der Herstellerware aus den – insbesondere älteren – Bausätzen. Man verwendet sie dann unter den Racks der Hersteller des Grundbausatzes.
Erhältlich bei Modellbau König.
Hermann Geers, Wietmarschen