Kit-Archäologie: Bloch MB 210 in 1:72 von Heller

„Heller Musée“ – damit fing alles an: Léon Jahiel präsentierte 1966 den ersten Plastik-Bausatz der späteren französischen Modellbaulegende …
Und mit der Bloch 210 aus der „Heller Musée“-Serie wollen auch wir unsere kleine Serie von Wiederauflagen älterer Bausätze aus Trun in der Normandie starten.
Aber zuvor einige kurze Bemerkungen zur Entstehung der Fa. Heller:
Mitte der 1950er Jahre war Léon Jahiel der festen Überzeugung, dass der Plastikmodellbau ein Riesenpotential auf dem europäischen Markt habe: Die Erfolge der amerikanischen Firma REVELL und der britischen Hersteller FROG und AIRFIX mit stets wachsenden Absatzzahlen gaben ihm Recht: Die männliche (!) Jugend war im Modellbau-Fieber!
Speziell FROG versuchte, sich mit weniger bekannten Vorbildern vom direkten Konkurrenten AIRFIX abzuheben – so kam es zur Produktion der französischen Jagdflugzeuge MS 406 und D.520. Letztere wurde von 1963 bis 1969 in 130.000 Exemplaren verkauft!
1963 entschied sich FROG, einen Teil der Produktion auf das Festland, in´s französische Calais zu verlegen und so in der EG zu produzieren mit allen damit verbundenen Steuer- und Zollvorteilen!
Eine französische Maschine! Produziert in Frankreich! Von einem britischen Hersteller!
Und das noch unter dem Namen FROG!
„Froggies“ (also „Froschfresser“!) war ein beliebter Spitzname der Engländer für die Franzosen!
Skandal!

FROG selbst hat den Namen kurzerhand in TRI-ANG geändert – die drei Lines-Brüder als ursprüngliche Besitzer von FROG sollen angeblich der Namenspate gewesen sein: Drei Brüder Lines = Lignes = Seiten und drei Seiten ergeben ein Dreieck (=Triangel). Ob das tatsächlich stimmt, mag dahingestellt bleiben. Der Affront blieb bestehen:
Die Engländer produzieren in Frankreich einen französischen Jäger!
Léon Jahiel traf 1956 auf Lew Glaser, dem Chef von REVELL. Dieser soll ihm erzählt haben, er halte Europa nicht für dazu in der Lage, Plastikmodelle herzustellen! Ein Jahr später gründete Jahiel die Firma HELLER.
Die ersten Gehversuche in metrischen Maßstäben (SPAD VII in 1/40 1960;  Couzinet Arc en Ciel in 1/75 und eine D.520 in 1/50) hatten jedoch nur mäßigen Erfolg und angesichts des überwältigenden Erfolges von AIRFIX und FROG im Maßstab 1/72 entschied man sich bei HELLER, ebenfalls in diesem Maßstab zu produzieren.
Das Ergebnis der Bemühungen war die Serie „HELLER Musée“ von französischen Flugzeugen im Maßstab 1/72, die mit der Bloch MB 152 im Jahre 1966 startete.
Der Rest ist die Erfolgsgeschichte der Firma HELLER …

Und nun zu unserem Oldie, der Bloch 210:
Ursprünglich wurde das Modell 1967 erstmalig aus der Form gezogen und daher wäre ein Modellbauer, der aktuelle Qualitätsstandards erwartet, eher enttäuscht: Der Kit bleibt ein Kind seiner Zeit, wie wir noch zeigen werden.

Ganz im Gegensatz zum Bausatz ist die neue Verpackung ein Kind der neuen Zeit: Erfreulich bleibt, dass Heller offensichtlich auch bei den kleineren Verpackungsformaten der neuen Linie den Klappkarton bevorzugt, damit lässt sich im Modellbaualltag wesentlich besser arbeiten.
So manch anderer europäischer Hersteller könnte sich da gerne eine dicke Scheibe von abschneiden!

Die Bloch MB 210 erschien, wir hatten es schon erwähnt, 1967 zum ersten Mal und folglich erwartet uns Modellbauer kein High-Tech-Kit mit versenkten Strukturen, feinen Nietreihen und extrem filigranen Kleinteilen – beileibe nicht:
Man erhält, öffnet man den praktischen Karton, solide Hausmannskost:Heller-Bloch-210-Rumpf-2-scaled Kit-Archäologie: Bloch MB 210 in 1:72 von Heller Heller-Bloch-210-Rumpf-scaled Kit-Archäologie: Bloch MB 210 in 1:72 von Heller Heller-Bloch-210-Rumpf3-scaled Kit-Archäologie: Bloch MB 210 in 1:72 von HellerZTS-PZL37-Triebwerk Kit-Archäologie: Bloch MB 210 in 1:72 von Heller
Der kastenförmige Rumpf besteht aus fünf Teilen – zwei Seitenhälften, ein durchgehender Unterboden, ein Rumpfoberteil sowie die zwischen Kanzel und A-Stand zu verklebende Abdeckung.
Die Strukturen, obwohl erhaben, entsprechen tatsächlich dem Vorbild: Da gab es kaum versenkte Paneellinien! Insofern historisch korrekt!
Die Triebwerke sind recht einfach gehalten und der recht geräumige Innenraum des Bombers besteht im Wesentlichen aus einigen Spanten (die dem Rumpf eine erstaunliche Stabilität verleihen!) und wenigen rudimentären Ausstattungsdetails – wie gesagt: Erstauflage 1967!

Heller-Bloch210-Klarteil Kit-Archäologie: Bloch MB 210 in 1:72 von Heller
Die Kanzeln sowie die Türme für die Maschinengewehre erinnern an Becherlupen und haben einen starken Linseneffekt.
Hier könnte ein Bad in FUTURE unter Umständen noch Einiges an Transparenz herausholen!

Die Detaillierung ist mit 119 Teilen eher übersichtlich. Erstaunlicherweise ist der Guss für eine so alte Form sehr gut, kein Gussgrat oder Versatz – die Teile wirken absolut sauber.
Wir vermuten, dass die alte Spritzgussform entweder immer schon sehr gut gepflegt oder sie erst unlängst gereinigt wurde!

Heller-Bloch-210-Bauplan-scaled Kit-Archäologie: Bloch MB 210 in 1:72 von HellerDer Bauplan (eher eine Explosionszeichnung) wirkt auf den ersten Blick verwirrend, man muss sich in die Arbeitsschritte eher einfühlen. Aber so war das nun mal 1967 …

Heller-Bloch-210-Malplan-scaled Kit-Archäologie: Bloch MB 210 in 1:72 von HellerLöblich dafür die Bemalungsanweisungen in Farbe auf der Rückseite – neben einer in Khaki gehaltenen Vorkriegsmaschine auch eine in Dreifarbtarnung ausgeführte Einsatzmaschine des Mai 1940.

Heller-Bloch-210-Decals Kit-Archäologie: Bloch MB 210 in 1:72 von HellerDer Decalbogen macht einen sehr guten Eindruck. Neben den „Original“-Decals (interessant hier das dunklere Blau der Kokarden!) der früheren Auflage werden zwei weitere historische Dekorationen angeboten.

Trotz mancher Kritik habe ich das Gefühl, dass nach dem Bau ein insgesamt ansehnliches Modell dabei herauskommt, und der Ausflug in die Modellbaugeschichte wird ja vom Hersteller auch durchaus beabsichtigt. Wer sich darauf einlassen mag, kann mit diesem Modell viel Freude haben.

Erhältlich sind die Heller-Musée Bausätze zum Beispiel bei Modellbau Universe.

Karsten Schulz, Modellbaustammtisch Recklinghausen