Wenn ich an den Lamborghini Countach als Modell denke, dann habe ich immer den von Fujimi im Sinn. Nun kommt Revell um die Ecke und „wirft“ den LP500S auf den Markt. Mit einem atemberaubenden Schachtelbild. Dass läßt mich erst einmal wundern und meine grauen Zellen anstrengen – woher? Und was ist in der Schachtel?
Der Effekt, „den haben zu müssen“ wurde bei mir erreicht. Gut gemacht, Revell!
Bevor ich zum Modell komme, ein paar kurze Zeilen zum Original.
Der Lamborghini Countach war inmitten der Ölkrise 1973 völlig unerwartet (!) auf dem Genfer Autosalon als Nachfolger des Miura präsentiert worden. Unerwartet? Das war mir neu, war es zuvor als eine reine Designstudie von Bertone 1971 lediglich als „Leistungsbeweis“ präsentiert worden. Nach dem starken Anklang fiel schließlich die Entscheidung, den Countach in Serie zu produzieren.
Der Name Countach geht nach verbreiteter Darstellung auf den Ausruf zurück, der ein Bertone-Mitarbeiter getätigt haben soll, als er die Sportwagenstudie das erste Mal sah. Interpretiert wird der Ausruf oft mit „fantastisch“, „Wahnsinn“ oder „geil“. Das kann man stehen lassen und glauben oder den Name Countach als frei erfunden nehmen. Damals wurden die Modelle noch nicht nach berühmten Stieren bezeichnet 😉
Die Bezeichnung „LP“ steht für „longitudinale posteriore“ was soviel wie „längsgerichtet hinten“ bedeutet und die Einbaulage des Motors beschreibt. Die daran gehängten Zahlen beziehen sich auf den Hubraum des Motors. Ferrari bezeichnete seine Modelle in der Epoche ebenfalls mit einem Zahlenkürzel aus Hubraum und Zylinder.
Abschließend zu diesem Thema sei angemerkt, dass der Countach das Überleben der Marke Lamborghini nach mehreren Mißerfolgen wie den des Urraco, Projekte wie Cheetah und BMW M1(!) sicherte. Die Designsprache des Countach beeinflußt nach seiner 16-jährigen Bauzeit auch heute noch das Bild von den Sportwagen Italiens. Trotz der langen Bauzeit sind nur ca. 2000 Countach vom Band gelaufen – in freier Wildbahn habe ich noch keinen sehen können. O.K., ich gebe zu, dass der Besuch im Stammwerk in Sant’Agata Bolognese mit dem Betrachten des SerNr. 1 sehr beeindruckend war und mir noch heute jede Begegnung auf Messen in Erinnerung ist.
Wer über Lamborghini mehr erfahren möchte, dem lege ich nicht nur diverse Literatur ans Herz, sondern auch den Film „Lamborghini vs. Ferrari“. Sehenswert.
Jetzt aber fix zu dem Modell.
In meiner Recherche auf scalemates fand ich den Ursprung des Modell. Erstmalig erschien er 1988 unter dem Lable von Monogram in der „Exotic Car Series“ (# 2769). Mir fiel es wie Schuppen vor die Augen: daher kannte ich den Bausatz! Die Nummer 2769 prangt auch heute noch auf allen Spritzlingen und Revell © 1988 steht unter anderem in der Bodengruppe geprägt.
Daraufhin folgten vier Auflagen bis 1996 und dann war erst einmal Schluß. 2012 wechselte der Countach dann zu Revell (#85-4948) und heute schließlich liegt diese Ausgabe (#07730) auf dem Tisch.
Warum mir der Bausatz nie auffiel und ich immer zu Fujimi geschielt habe wird klar, wenn man sich die Monogram Boxen anschaut: attraktiv ist was anderes.
Jetzt aber zum Bausatz.
Wie in meiner Einleitung erwähnt, hat mich Revell mit dem super-sexy Schachtelbild als Käufer in der Tasche gehabt. Nicht nur, weil ich den Countach schon immer als den besten Sportwagen empfand. Ich wuchs schließlich auf mit dem Keil!
Die Rückseite des Karton ist „in üblicher Weise“ mit Bildern des fertigen Modells, einen Minimalabriss zur Geschichte des Countach und mit einem Teil der benötigten Farben gestaltet. Die Aufmachung spricht mich immer wieder an, ich finde sie sehr schön:
Was erwartet uns, wenn wir den Bausatz ausschütteln?
Im unpraktischen Seitenöffner, der durch die Spritzlinge nur halb gefüllt ist, finden wir die angegebenen 124 Bauteile an sechs weißen Gussrahmen, einen Spritzling mit Klarteilen, die Karosserie und Reifen. Die Bauanleitung im A4-Format und ein Decalbogen machen den Bausatz komplett:
Die Spritzlinge gefallen mir anhand des verwendeten Materials schon besser als den zuletzt von mir besprochenen 70er Shelby. Er macht einen „massiveren“ Eindruck. Die Bauteile sind aus meiner Sicht etwas grob, wirken nicht so filigran. Wir haben verschiedene Oberflächenstrukturen im Innenraum, die Oberflächen der Spoiler und Lufteinlässe sind sehr glatt. Auffällig am letzten Bogen die Felgen, die nicht in Chrom beiliegen, aber die Detailqualität nicht verstecken:
Im Detail betrachtet, mag ich den Gitterrohrrahmen noch für gut befinden:
Nicht nur an den Felgen wie oben zu sehen zeigen sich Fischhäute. An anderen Bauteilen zeigen sie sich jedoch noch deutlicher:
Beim Lenkrad ist zumal auf dem Kranz und dem Pralltopf „das volle Programm“ an Grat und Haut zur Entfernung gefordert:
Auswerfermarken an ungeschickten Stellen kann man oftmals nicht verhindern, jedoch erschwert es die Versäuberung, je ausgeprägter die Marken im wahrsten Sinne des Wortes sind. Die Unterseite des Heckspoilers und die Haubeninnenseiten singen ein Lied davon:
Wem das jetzt nicht genug ist und eine Kombination von Gießgraten und Auswerfermarke an kleinen Bauteilen fordert, der wird mit den Endrohren bedient:
Die Karosserie ist nicht an einem Stück gespritzt, bei dem das Chassis von unten eingesetzt wird. Wie beim Jaguar E-Type wurde sie auf Linie des Türeinstieges getrennt, die Unterseite ist am Chassis zu finden.
Die Karosserie ist soweit so gut. Schöne, glatte Oberflächen, scharf gezeichnet und die Sicken tief genug. Der Kofferraum ist mit angegossen, was das Bemalen etwas komplizierter gestaltet:
Wenn man sich auf die Suche nach den Gießgraten an den üblichen Stellen der Karosserie macht, wird man auch ohne genau hinzusehen fündig. Beidseitig über den hinteren Kotflügelverbreiterungen machen sich die Grate breit. Auch wenn das gleichmäßig links/rechts aussieht: nein, dass ist kein Stylingfeature des Countach!
Die Klarteile
Sie sind separat verpackt und die Angußstellen sind hauchdünn. Beim Entnehmen des Gußastes hängt die Frontscheibe schon verdächtig lose in den Seilen. Die ganzen Angüsse lassen keine dramatische Bearbeitung folgen, die Klarteile sind so wie sie sein sollen: klar und schlierenfrei:
Die Reifen sind aus knautschigem Material und nicht so steif, wie mich die Bauart vermuten lässt. Profil ist einwandfrei und hat einen kaum vorhandenen Gießgrat:
Und, es lässt sich die Reifenaufschrift „Pirelli Cinturato P7“ nebst Pirelli-Schriftzug lesen. Das ist ja mal wieder exquisit!
Bei den Decals hat sich Revell mittlerweile zwei Dinge auf die Fahne geschrieben:
- So kleine Details wie möglich
- Die Kennzeichenspielerei bis zum Exzess zu treiben.
Der Bogen strotzt nur so von Klein- und Kleinkleindecals. Boxen, Amaturenbrett, Lüftungsgitter, Embleme und Typenschilder sind vorhanden. Wiederum Decals für Stoßdämpfer (Nr.57) machen es dem Modellbauer nicht einfacher – und ich habe bis jetzt nicht im Detail geschaut, wo die anderen Fitzelchen wie Nr. 22, 24, 25, 40, 41, 42, 15 bis 19 usw. hingehören.
Wie beim 70er Shelby haben die Designer der Kennzeichen auch hier alles gegeben….nur als flotte Beispiele:
*Französiche Kennzeichen hatten kein „LPS“ in der Mitte,
*beim Britischen gab es „LP“ nur bis 1974, der Countach ist jedoch von 1982,
*beim Niederländischen gab es keine Kombination „TE“…
Wenn die Fülle an europäischen Kennzeichen beigelegt ist, lege ich Wert auf Authentische…bei den Firlefanzdinger wie Stoßdämpfer oder Felgenmarke (nr.56) schaffen sie es ja auch. Also warum nicht bei ordentlichen Kennzeichen recherchieren?!?
Die Bauanleitung:
Revell-Deutschland-typisch kommt die Bauanleitung in A4-Format in Bunt daher:
Das Deckblatt entspricht dem gebauten Modell und die ersten Seiten beschäftigen sich mit Warn-/Verarbeitungshinweisen, Zeichenerklärungen. Gefolgt von allen benötigten Farben und deren Mischungsverhältnissen – wobei mir eine 50/50 Mischung von Feuerrot und Italien Red nicht nachvollziehbar erscheint. Rot ist rot, oder? 18 Farben gibt Revell an:
Danach folgt eine Bauteileübersicht und der Spaß am Bau kann beginnen:
Beginnend mit dem Motor über Chassis und Interior, gefolgt von der Karosserie und deren Hochzeit, steht das Modell nach 47 Baustufen auf den Rädern:
Jedoch hält einen das Kleinklein der Decals bei den Baustufen etwas auf, so kommt der versierte Modellbauer bei Baustufe 38 ins Schwitzen:
Hier ist Revell ein Fehler unterlaufen. An den Vorder- und Hinterrädern werden dieselben Decals verwendet (Nr.54):
Richtig muss sein, dass Decal 58 an der Hinterachse zu verbauen ist! Was ist links und rechts? Großer Sattel in Fahrtrichtung – also sinngemäß linkes Decal links, rechtes Decal rechts 😉
Mein Fazit und abschließende Worte
Der Bausatz glänzt nicht mit seinen Graten und Fischhäuten, die Karosserie bedarf ebenfalls Aufmerksamkeit. Vor allem an Schleifarbeit, die mit Bedacht ausgeführt werden müssen, um die Linienführung der (hinteren) Seitenteile nicht zu ruinieren.
Die Bemalung des angegossenen Kofferraums erleichtert die gesamte Sache nicht, einen „flott von der Hand gehenden“ Bau sehe ich bei diesem Modell nicht. Die unzähligen Minidecals bremsen den Bau zusätzlich.
Was aus meiner Sicht die größte Herausforderung ist, ist die sinnfrei unterteilte Karosserie an der Türeinstiegslinie. Anpassungsarbeiten vom ersten Bauschritt an läßt das vermuten. Die Verklebung von lackierten Chassis und Karosserie wird auf Stoß ausgeführt und die Teile werden nur durch vier Minipins am Schweller „geführt“ – die Bauteile hinten haben gar keine Orientierung.
Wie eingangs erwähnt, habe ich beim Lamborghini Countach auf Anhieb den Hersteller Fujimi im Sinn.
Ist dieser Bausatz von Revell gar eine Alternative für den Italeri Countach? Ich weiß es (noch) nicht. Das wird spannend!
Erhältlich bei Modellbau König.
Dominik Weitzer, Modellbaustammtisch Recklinghausen