Als eigentlich überzeugter Flugzeugmodellbauer hatte ich mir schon lange eine Wiederauflage des Revellbausatzes für den Leopard1 A1 (so lautete unsere Bezeichnung) gewünscht, um mal „meinen“ Leopard mit der Turmnummer 323 (Zugführerpanzer 2. Zug der 3. Kompanie) des Panzerbataillons 333 vom Standort Lingen zu bauen, mit dem ich in den Jahren 1979 bis 1981 die Truppenübungs- und Schießplätze in Norddeutschland unsicher gemacht hatte …
So war die Freude groß, als diese Wiederauflage angekündigt wurde, die das ermöglichen konnte. Beim genaueren Studium des Bausatzinhalts anlässlich des letzten Modellbauerstammtischs in Lingen blieb mir jedoch nur noch ein enttäuscht-entsetztes-fassungsloses:
„Au weia, Revell“
(Auflösung folgt)
Revell hatte diesen Bausatz schon mehrfach aufgelegt. Wir hatten bei KRO die bisherige Bausatzserie für den Leopard1 schon in mehreren Ausführungen vorgestellt.
In 2017:
https://www.kitreviewsonline.de/leopard-1a1-135-revell-03258/
In 2020:
https://www.kitreviewsonline.de/leopard-1a5-135-revell-03320/
Von Revell gab es in 2015 auch schon mal für die erste Serienausfertigung Leopard 1 (ohne die A-Varianten danach) einen Bausatz.
Diese Wiederauflage erscheint in einem großen Karton, der von oben zu öffnen ist. Das ist zu begrüßen. Die auf dem Deckelbild falsch dargestellte alte Kette ist so im Bausatz zum Glück nicht enthalten. Dafür gibt es aber ein anderes Problem. Im Karton ist jedenfalls für den Inhalt reichlich Platz:
An Inhalt gibt es einen Beutel mit Arbeitsmitteln für die Vollendung des Bausatzes, die Spritzäste in drei Beuteln verteilt, den Decalbogen, die Bauanleitung in der der Decalbogen sich zunächst befindet und auf die ein Drahtstück zur Darstellung der Antennen aufgeklebt ist und ein kleines Poster der Darstellung vom Deckelbild. Insgesamt macht der Inhalt den Bausatz zu einem „Geschenk-Set“ als das er im Revell-Webschop zu einem empfohlenen Verkaufspreis von 49,99 € beworben wird.
Revell weist hier ausdrücklich (und gleich zweimal!!) auf die Ausrichtung und die zutreffenden Anforderungen zum Bau hin. Zitieren wir mal:
„Dieser Bausatz ist für erfahrene Modellbauer der Stufe 5 konzipiert, die fundierte Kenntnisse und Fähigkeiten im Modellbau besitzen. Der Leopard 1 A1A1-A1A4 ist ein detailgetreuer Nachbau des ersten Panzers, der in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt wurde, und bietet eine anspruchsvolle und lohnende Bauherausforderung.
…
Dieser Bausatz ist ein Level 5, was bedeutet, dass er für erfahrene Modellbauer konzipiert ist, die fundierte Kenntnisse und Fähigkeiten im Kleben und Bemalen besitzen. Es ist eine hervorragende Möglichkeit, deine Fähigkeiten herauszufordern und zu erweitern, während du ein authentisches und detailliertes Modell dieses historischen Panzers erschaffst.“
Was dann allerdings die Zugaben in dem Beutel sollen, die sonst Anfängerbausätze „bereichern“ und in diesem Falle die Kosten für den Hersteller und dann auch wohl den Käufer nach oben treiben, kann man wohl hinterfragen. Hier mal der Beutel so wie er im Karton liegt:
Das macht für den Pinsel schon mal keinen guten Eindruck. Ausgepackt sieht es dann so aus:
Für die Zielgruppe der „erfahrenen Modellbauer mit fundierten Kenntnissen und Fähigkeiten im Kleben und Bemalen“ – zu denen ich mich in aller Bescheidenheit auch zähle – sind diese Zugaben nur von bescheidenem Wert.
- Der umgeknickte Pinsel mit schlechtem Schnitt der sehr weichen Pinselhaare ist genau besehen unbrauchbar und für die kleinen Details, für die auch Farben beiliegen, zu groß. Er kann nach dem Auspacken unmittelbar in der Mülltonne landen.
- Die Farben in den kleinen nicht in jedem Falle ganz gefüllten Töpfchen sind wohl für eine Pinselbemalung verdünnt, (was kostet eigentlich so eine Abfüllung? Wäre die Beifügung der eckigen Standardtöpfchen tatsächlich teurer?) reichen aber möglicherweise für die Tarnbemalung dann gar nicht aus. Die Modellbauer in der beschriebenen Zielgruppe lackieren allerdings weit überwiegend mit der Spritzpistole und haben ihre Farben schon zu Hause.
- Die beigelegten Farben reichen für die vollständige Lackierung auch nicht aus. Die Bauanleitung listet 10 unterschiedliche benötigte Farben.
- Die Kanülentube mit dickflüssigem Kleber hingegen ist universell brauchbar. Früher waren Klebertuben im Bausatzkarton nahezu obligatorisch. Wer aus der älteren Generation erinnert sich nicht an die – meist zu kleinen – Tuben aus dünnem Alublech, die – einmal aufgestochen – nicht mehr verschlossen werden konnten?
Revell macht allerdings an der Kartonseite dezent darauf aufmerksam, dass zusätzliche Farben noch benötigt werden:
Die Spritzäste und die Gummiketten sowie Abschleppseile sind in den oben genannten Vorstellungen schon beschrieben worden und es kann auch weiterhin hierauf verwiesen werden. Neu in dieser Zusammenstellung ist der Spritzast L, den es bisher von Revell in keinem anderen Bausatz gab:
Er enthält die Teile für das PZB 200, das hier auch tatsächlich benötigt wird. Dies war ein passives Ziel- und Beobachtungsgerät auf Basis einer Restlichtverstärkung, welches die Nachkampffähigkeit ganz beträchtlich verbesserte. Im Jahre 1980 erhielt auch „mein“ Leopard diese Ausrüstung und ich konnte mich persönlich von den wesentlich besseren Nachtschießleistungen überzeugen.
Die Teile für den Schutzkäfig mit Frontklappe und die Kamera sind sehr sauber ausgeführt und ergeben eine sehr feine Nachbildung des Originals:
Das große Problem dieses Bausatzes ist jedoch der vorhandene Spritzast C mit den Teilen für den Turm. Hiervon gab es in den vorherigen Ausgaben zwei unterschiedliche Ausführungen. Hier hat wohl jemand ins falsche Regal gegriffen. Wie jeder sach- und fachkundige Betrachter auf den ersten Blick feststellt, handelt es sich hier um das Turmoberteil für den Leopard1 A-5!
Hier noch mal allein für sich das Problem:
An der Kartonseite ist bei den Spritzästen noch das richtige Turmoberteil abgebildet:
Auch in der – übrigens sehr brauchbaren – Bauanleitung ist der andere Spritzast dargestellt und sind weiterhin alle Bauschritte für das andere Turmoberteil genau bezeichnet:
Im Karton ist also das Turmoberteil mit dem Sockel für das EMES 18, den zugeschweißten Ausblicköffnungen für den alten optischen E-Messer und ohne die Öffnung für den Richtschützenwinkelspiegel. Um hieraus einen Turm der früheren Serien zu machen, ist eine umfangreiche Schnitzerei erforderlich. Nach Entfernung des EMES-Sockels bliebe ein großes Loch, das mit der aufgerauten Oberfläche wieder zu schließen wäre. Der Richtschützenwinkelspiegel mit den Schutzbügel darüber wäre dahinter ebenfalls aufwendig neu herzustellen. Schließlich lassen sich auch die Ausblicke des alten optischen Entfernungsmessers nicht einfach so aus dem Bausatz ankleben. Vielmehr müssen die äußeren Strukturen komplett neu hergestellt werden.
Jetzt könnte man meinen, dass ja dann aus dem Bausatz so quasi ersatzweise ein Leopard1 A-5 gebaut werden könnte, für den man ggf. die Decals zusammenstückeln könnte. Hatte ich auch erst gedacht, doch hierfür fehlt der Spritzast N aus der alten 2020-er Ausgabe mit dem Oberbau des EMES, dem erhöhten TRP und dem erhöhten Winkelspiegel, den Aufbauten auf der Blende und dem Teil für den Justierkollimator auf der Rohrmündung.
[Nachtrag: Nach dem Erscheinen dieser Bausatzvorstellung informierte uns Revell, dass es sich bei dem falschen Turmspritzling tatsächlich um einen „Fehlgriff“ handelte. Gottlob sind nur einige wenige Kartons davon betroffen, weil der Fehler rechtzeitig bemerkt wurde. Sollte man einen solchen Karton erwischt haben, dann bitte direkt bei der „Abt. X“ von Revell melden:
service.de@carrera-revell.com]
Fazit
Der Bausatz ist ohne umfangreichste Eigenumbauten oder Improvisationen unbrauchbar.
(Diese Umbauten sind für einen neuen Kaufbausatz aber nicht zumutbar)
Man kann aus dem vorhandenen Inhalt weder eine der auf der Verpackung versprochenen Versionen noch als Ersatz einen Leopard1 A-5 bauen. Hier ist offensichtlich bei Revell etwas ganz gewaltig schiefgelaufen. Offensichtlich wird die Zusammenstellung der Bausätze nicht mit Sachverstand geprüft. Jedenfalls ist es nicht mit (KI-gestützter?) hochgestochener Beschreibung im Webshop getan – die zudem reichlich übertrieben das Produkt bewirbt!
Das ist umso bedauerlicher als die Basis aus dem eigenen Revell-Formenfundus mit dem og. neuen Spritzast vollständig und auf immer noch insgesamt sehr ansehnlichem Standard ist.
Auf der Bandbreite von sehr ansprechenden Neuentwicklungen, sinnvollen Kooperationen und Wiederauflagen mit ganz unterschiedlichem Wert liefert Revell mit dieser Zusammenstellung wohl den Tiefpunkt dieses Modellbaujahres. Insgesamt kann ich daher keine Kaufempfehlung aussprechen. Da es ein „Geschenkset“ sein soll, hätte ein solches Geschenk schon etwas von einem Danaergeschenk.
Wer trotzdem nicht widerstehen kann – erhältlich bei Modellbau König.
Hermann Geers, Wietmarschen