Das russische Fischereischulschiff „Kruzenshtern“ (benannt nach einem baltisch-russischen Admiral des 19. Jahrhunderts und nicht etwa nach der Assistentin von Komissar Thiel im Münster-Tatort!) wurde unlängst von ZVEZDA im Großmaßstab 1:200 in die Händlerregale gebracht und wir wollen die Gelegenheit nutzen, einmal in den recht großen Karton zu schauen …
Das Original:
Die Kruzenshtern wurde ursprünglich 1926 in Bremerhaven bei der Tecklenborg-Werft als Padua für die berühmte Reederei Laisz vom Stapel gelassen. Zusammen mit bekannten Schiffen wie der Pamir oder Passat gehörte sie zu den weithin bekannten Flying-P–Linern.
Eingesetzt war sie als Frachtschiff, übernahm aber gleichzeitig auch die Aufgaben eines Schulschiffes für den seemännischen Nachwuchs. In der ersteren Funktion transportierte sie von Weizen über Salpeter Ladungen aus Deutschland in alle Welt und aus aller Welt nach Deutschland. Auch diente sie als Kulisse für verschiedene Filme der 1930er und 40er Jahre wie z.B. „Große Freiheit Nr.7“.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges war die Zeit der Frachtsegler vorbei, übernahmen doch Dampf- und Motorschiffe immer mehr den Frachtverkehr. So kam es, dass die 1946 an die Sowjetunion abzugebende und auf den neuen Namen Kruzenshtern getaufte ex-Padua wieder als Schulschiff eingesetzt wurde.
Benannt nach dem russisch-baltischen Admiral Adam Johann Baron von Krusenstern (auf russisch dann: Ivan Fjodorovitsch Kruzenshtern), der die erste russische Weltumsegelung (1803 bs 1806) anführte, dient sie zur Zeit der Балтийская государственная академия рыбопромыслового флотm (Baltischen Staatlichen Akademie der Fischereiflotte) in Kaliningrad (ehem. Königsberg) als Schulschiff für den Nachwuchs der Fischereiflotte.
In dieser Funktion ist sie auch zu einer regelmäßigen Besucherin deutscher Häfen geworden und ein gerne gesehener Gast.
Mittlerweile werden auch zahlende Passagiere, als sogenannte Trainees, mitgenommen, wodurch sie nicht unwesentlich zum Erhalt dieses alten Seglers beitragen.
Infos zum Schiff finden unsere Leser u.a. auf der homepage der Kruzenshtern.
Der Bausatz:
Der gesamte Bausatz befindet sich in einem sehr stabilen Klappkarton, der sogar mit einem Griff versehen ist. Was sich bei den kofferähnlichen Ausmaßen der Verpackung auch anbietet.
Als erstes fällt der Blick auf die beiden Rumpfhälften, welche mit dem Sockel zusammen in einer Tüte verpackt sind.
Die beiden Rumpfhälften sind sauber ausgeformt, die Details randscharf.
Über den gesamten Rumpf zieht sich eine gut wiedergegebene Plattenstruktur mit feinen Gravuren zur Darstellung der Plattenstöße.
Das Ruder ist bereits an der Steuerbord-Hälfte des Rumpfs mit angegossen. Die Wasserlinie wird durch zwei in knappen Abstand parallel verlaufende Gravuren angedeutet. Die Bullaugen sind nicht durchbrochen, so dass der geneigte Modellbauer, der diese offen darstellen will zu einem Bohrer wird greifen müssen. Auch die zahlreichen recht dicken Angüsse werden einiges an Nacharbeit erforderlich machen.
Beim Sockel zeigt sich einige Fischhaut und die Reste der abgebrochenen Gussäste. Hier ist ebenfalls einiges an Nacharbeit erforderlich.
Nach den drei Teilen angesprochenen Teilen fällt der Blick auf einen Karton im Karton.
In diesem schlicht braunen Karton befindet sich der gesamte Rest des Bausatzes. Wohl um diesen vor dem herumrutschen im großen Umkarton zu schützen.
Enthalten sind hier Anleitung, Decals und neben den Spritzlingen auch zwei Pappträger mit Garn für die Takelung des Modells.
Am Spritzling B befinden sich die Teile für die Decks sowie die Aufnahmen für die Masten.
Die Decks verfügen über eine sehr feine, dem Maßstab angemessene, Plankenstruktur, die mit entsprechender Lackierung sicherlich gut zur Geltung kommen wird. Auch die anderen, bereits mit angegossenen Details sind sehr sauber ausgeführt.
Die Spritzlinge C, F und G beinhalten schließlich alle weiteren für den Bau notwendigen Teile.
Dies umfasst von den Schlingerkielen, über die Anker sowie Beiboote und Kräne auch die restlichen Teile der Aufbauten und natürlich die Masten samt Rahen und weiteren Anbauteile wie z.B. Radar.
Die fein und sauber ausgeführte Detaillierung, die sich durch den gesamten Bausatz zieht, ist auch hier zu finden. Es gibt keinerlei Fischhaut und nur kaum Gussgrat an den Teilen. Ein Umstand der gerade bei den zahlreichen Filigranteilen umso erfreulicher ist. Auch sind die Positionen der Angüsse gut durchdacht gewählt, so dass man die notwendigen Versäuberungsarbeiten nach dem Trennen vom Gussast recht leicht durchführen kann.
Der zuletzt genannte Spritzling G ist übrigens drei Mal vorhanden, entsprechend der notwendigen Teile für Fockmast, Großmast und Hauptmast. Die Teile für den Besan finden sich im übrigen an Spritzling C.
In weit die Darstellung der einzelnen Masten samt Rahen den Vorbildern entspricht kann allerdings nur ein tiefergehendes Studium des Vorbilds zeigen.
Spritzling E bietet alle Teile, die für die Wanten notwendig sind. Auch hier hält sich der Gussgrat in Grenzen. Allerdings sind die Teile durch ihre Filigranität beim Heraustrennen recht bruchgefährdet. Hier ist Vorsicht geboten.
Die Spritzlinge D, K und L beinhalten die Teile für die Segel, wobei Spritzling D dreimal und Spritzling K zweimal vorhanden sind.
Für mich ist es auf den ersten Blick ungewohnt, dass die Segel in Spritzguss ausgeführt.
Dadurch fallen sie sehr massiv aus. Die Segel weisen eine Textilstruktur auf, allerdings ist fraglich, ob diese nach der Lackierung noch zu erkennen sein wird.
Die dem Bausatz beiligenden Decals sind sauber gedruckt, allerdings erscheint der Trägerfilm ein wenig dick. Auch sind einige der, in sich versatzfrei ausgeführten, Decals nicht mittig oder zu 100% auf ihrem jeweiligen Film, was recht schade ist. Inwieweit dies zu einem Problem wird, muss dann der Bau zeigen.
Enthalten sind neben der russischen Flagge die Namenszüge des Schiffes für Bug und Heck, sowie die Namenstafeln. Hinzu kommen noch Ahminge und Wasserpass, IMO-Nummern oder Notfall-Werkzeuge.
Anleitung:
Die schlicht schwarz-weiß ausgeführte Anleitung führt in 28 Schritten zum Ziel.
Enthalten ist eine Teileübersicht, ein kurzer historischer Abriss und eine Tabelle mit Farbangaben, die sich auf das System der Firma Humbrol bezieht. Zwar sind die einzelnen Schritte an sich recht übersichtlich, aber der Gesamtaufbau ist etwas gewöhnungsbedürftig. Teile der Darstellungen der einzelnen Schritte ragen in andere Schritte hinein, die Schritte sind teils willkürlich platziert oder gar nicht erst in der numerischen Reihenfolge eingebettet.
Hier ist auf jeden Fall ein sorgfältiges Studium der Anleitung vor Baubeginn notwendig.
Bedauerlicherweise fällt der Teil, der ein Segelschiff ausmacht, sehr mager aus. Der Abschnitt der Takelage beschränkt sich auf gerade einmal zwei Schritte, auf einer Seite zusammengefasst. Hierdurch fällt deren Darstellung recht rudimentär aus.
Für Anfänger sicher vorteilhaft, allerdings wird der fortgeschrittene Modellbauer hier nicht um eine entsprechende Recherche herumkommen.
Fazit:
Die Einzelteile des Bausatzes sind alle sehr gut ausgeführt und auch die Trockenpassung offenbart keine größeren Problemstellen. Allerdings wird hier nur der letztliche Bau genaueres Zeigen können. Sämtliche Bauteile sind scharf ausgeformt und es findet sich kaum Gussgrat, von Fischhaut ganz zu schweigen. Auswerfermarken und Angüsse sind überlegt platziert. Insgesamt ist der Bausatz durchaus auf der Höhe der Zeit. Lediglich die Segel hätte man anders fertigen sollen, meiner Meinung nach. Auch dürfte der Abschnitt für die Takelung gerne ausführlicher sein.
Bewertung:
Insgesamt macht der Bausatz eine guten bis sehr guten Eindruck. Betrachtet man alles zusammen, so dürfte sich Zvezda hier eher an den Einsteiger ins Hobby wenden. Dieser wird bereits direkt aus der Schachtel ein, nicht nur durch die Größe, sehr ansprechendes Modell bekommen. Der Erfahrene Modellbauer findet hier eine sehr gute Grundlage aus der sich einiges machen lassen dürfte, bietet doch schon die komplexe Takelage dieses Großseglers hierfür genug Raum.
Erhältlich im online-shop von Modellbau König.
Mathias Carl