Wer eine Schwäche für Rennwagen aus der Zeit hat, als das Automobil gerade so aus seinen Kinderschuen herauswuchs, der kann hier mit dem Talbot Lago Grand Prix richtig liegen. Wer einmal etwas anders als nur Zivilfahrzeuge bauen (so wie ich) und über seinen Tellerrand hinausschauen mag – ohne gleich zur See zu fahren oder in die Luft zu gehen – der sollte hier weiterlesen …
Da ich völlig unbewandert in den Gründerschuhen der Grand Prix Zeit bin, lobe ich Heller schon einmal vorweg, dass sie in der Bauanleitung etwas über das Original zum Modell schreiben. Das finde ich immer vorbildlich, macht es auch neugierig, noch etwas mehr über den Wagen zu erfahren. Aber der Reihe nach. Heller schreibt:
1939 erscheint im Rennsport zum ersten Mal der Name TALBOT-LAGO. Der Einsitzer mit seitlichem Fahrersitz ist das Werk von zwei Männern, die in den Werkstätten von TALBOT in Suresnes arbeiten, Antonio LAGO und Becchia.
Die ersten Erfolge dieses Wagens sind 3. Plätze im Grossen Preis der A.C.F 1939 (A.C.F = Automobile Club de France). Seine Mannschaft, Louis und Jean-Louis Rosier (Vater und Sohn) beherrschen am Steuer des Wagens Nr.5 das Rennen vierundzwanzig Stunden lang, führen es praktisch von einem Ende bis zum anderen an, und verbessern dabei den Rundenrekord auf 165,490 Km/h. Am Ende der 24 Stunden ist der Wagen Nr.5 mit 3465.120 KM, die einen Schnitt von 144,380 Km/h zurückgelegt wurden, Sieger. Zwei weitere TALBOT, die ebenfalls eingesetzt wurden, enden auf dem 2. und dem 3. Platz. 1951 machen die TALBOT-LAGO ihre letzten Rennen, die Rennfahrer des Hauses altern und am Horizont zeichnen sich finanzielle Probleme ab.
Das Modell HELLER stellt den Wagen von Louis Rosier dar, der 1949, 1950 und 1951 französischer Meister wurde, so wie er heute im Museum Henri Malartre in La Rochetaille (Rhone, France) zu sehen ist.
Für die Technikfreunde unter uns liefert Heller ebenfalls ein paar Kenndaten:
TALBOT-LAGO T-26 C 1950, Chassis Nr. 11057
Motor: Talbot-Lago T-26 C 6 Zylinder in Reihenanordnung
Hubraum: 4483 ccm
Höchstleistung 280 PS
Gangschaltung: 4-Gangschaltung WILSON
Höchstgeschwindigkeit: 270 km/h
270 km/h! in einem offenen Einsitzer und das mit „Teerschneider“ – das ist heute noch beeindruckend und der heutige Grad Prix Zirkus gleicht einem Kindergarten. Die Fahrer waren damals noch Männer und heulten nicht bei der Rennleitung, wenn sie geschnitten wurden….
Der Bausatz zum Talbot mal kurz beleuchtet.
Erstmalig erschien der Talbot-Lago 1979 (#721) und trug noch den Beinamen 4L5 in seinem Namen. Dann wurde er 1982 in gelb wiederaufgelegt (#80787) und trug jetzt den Beinamen 4.5L. Bis er schließlich über IMAI 1984 wieder 2016 von Heller wieder aufgelegt wurde. Nach einer weiteren Auflage (#50721) liegt er nun in der sechsten Auflage vor uns.
Interessanterweise prangert auf der Bauanleitung ebenfalls die Bezeichnung „Talbot Lago 4.5L Grand Prix“ – was schlicht auf seinen Hubraum hinweist.
Ich möchte ungewöhnlicherweise gleich mit der Bauanleitung beginnen:
Die Bauanleitung schlägt etwas aus der Art. Ich habe den Eindruck, dass diese nicht „nach Art des Hauses“ überarbeit wurde und aus einer der älteren Ausgaben übernommen ist. Sie entspricht nicht dem aktuellen Heller-typischen Outfit. Kein gelbes Deckblatt, keine Arbeitshinweise etc. und keine farbliche Akzente. Sie ist schlicht schwarz-weiß, die Bauschritte sind selbst in der Urausgabe von 1979 übernommen. Nur das Outfit der Zahlen der Bemalung und das der Bauteile sind geändert. Die ersten zwei Seiten bringen uns die Geschichte wie eingangs erwähnt nahe und dann geht’s auch schon auf der vierten Seite los. Am Kopf dieser Seite sind noch die benötigten Farben angegeben – nur sechs an der Zahl. Das Bauvergnügen dauert gerade einmal drei Seiten, fertig. 16 Schritte, bis die 86 Bauteile verbaut sind.
Ich vermisse deutlich eine Zeichenerklärung! Wir haben Sonderzeichen…
…und Mischungsverhältnisse!
Die Sonderzeichen sind selbsterklärend (zumindest für ältere Modellbauer): Nicht kleben bzw. Verschmelzen nach der Montage.
Und das Mischungsverhältnis ist eigentlich auch klar – nur: Wer bekommt das so exakt hin?
Jetzt schauen wir aber in den Bausatz.
Ein weiteres Ärgernis:
Wenige Bauteile, kleine Spritzlinge und großer Karton in Hellers Standardgröße und nicht in Tüten verpackt. So fliegt alles im Karton herum und es klappert bedrohlich…ich würde mir wieder wünschen, dass die Bauteile zumindest eine Tüte gespendet bekommen, sodass das Chaos beim Öffnen des durchaus praktischen Karton ausbleibt. Ich habe die Bauteile entwirrt und glückicherweise war nichts abgefallen und/oder in den Reifen verheddert.
Was erwartet uns, wenn wir den Bausatz ausschütteln?
Übersichtliche vier Gießäste und den Gummispritzling mit den Reifen, Bauanleitung, Decals und auch ein Anhänger für die Türe zum Bastelzimmer ?
An den beiden weißen Spritzlingen finden sich „eigentlich“ alle Bauteile für den Renner. Der kleine schwarze Spritzling sind nur die Knock-off Muttern der Räder und (vielleicht) die Außenspiegel.
Durchweg sind sie sauber und scharf in Form. Auch wenn der weiße Spritzling mit den Fischhäuten am Rahmen Schlechtes erwarten lässt: Ich habe keine Fischhäute oder Grate an den Teilen entdeckt, die den Bautrieb unnötig aufhalten. Das ist durchaus positiv!
Die Reifen an ihrem Gummispritzling sind sehr sauber:
Die Flanken weisen zwar keine Beschriftung auf, haben jedoch eine angenehme Struktur. Das Profil gefällt mir sehr gut!
Die Klarteile? Windschutzscheib(chen). Die „Scheinwerfer“ sind Abfall:
Details kann der Wagen natürlich auch ziegen. Der Kühlergrill ist super sauber …
… und die Speichenräder frei von Gießgraten:
Auch die Bremstrommeln (Radinnenseiten) gefallen mir. Hier zeichnet sich eine gute Pflege der Spritzform aus. Auch Auswerfermarken oder Sinkstellen sind unauffällig. Sehr gut!
Bleiben noch die Decals übrig:
Tadellos. Simpel und einfach wie es die Rennwagen damals hatten: Startnummer und Instrumente. Eingangs konnte man die Start Nr.5 im geschichtlichen Abriß von Heller lesen, jedoch nicht diesen, die als Decal beiliegen. Recherche? Muss wohl.
Rätsel Nummer 1:
Nr. 14: diese Nummer gibt mir Rätsel auf und ich konnte trotz intensiver Recherche keine „Siegernummer“ oder Startnummer von einem Talbot in den Jahren 1947-1951 finden. Auch der Hersteller MisterCraft (KitNr. 041649) trägt die Nr.14 und soll den GP- Wagen aus dem Jahr 1947 darstellen, der von Luis Chiron gefahren wurde….Und siehe da, die Herrschaften haben auch geschlampt:
Louis Chiron hat zwar 1947 den GP von Frankreich gewonnen, aber sein Auto hatte nicht die Startnummer 14 sondern….
Nr. 6: Siegerauto der französischen Grand Prix 1947, Fahrer Louis Chiron ?
Ach, übrigens. Schauen wir kurz auf die Rückseite des Karton:
Rätsel Nummer 2: Wieso ist da ein gelber Talbot-Lago mit der Nummer 6 abgebildet? War er nicht immer blau? Denn in der Bauanleitung steht kein Gelb als Karosseriefarbe…
Mein Fazit und abschließende Worte
Trotz seiner Wiederauflage(n) ist der Bausatz sehr gut in Form. Keine Fischhäute, keine Gießgrate, keine störenden Sinkmarken. Sehr gut gemacht! Über die Bauweise der Karosserie war ich etwas überrascht und stellt mich vor eine Herausforderung.
Das liegt aus meiner Sicht an der Bauweise, wie es die Flugzeugbauer praktizieren:
Erst alles Innere bauen und lackieren, dann kommt die in Längsrichtung zweiteilige Karosserie über die ganze Technik. Dann heißt es das fertige Interieur abkleben, Klebenaht der Karosserie verschleifen und dann lackieren.
Die Startnummern finde ich verwirrend, speziell die „14“ – und den gelben Wagen auf der Schachtel. Wenn man die Bausatzgeschichte verfolgt, hat sich diese Nummer schon seit der ersten Ausgabe 1979 durchgemogelt…da wäre ich auf eine Erklärung von Heller gespannt, um die Rätsel zu lösen – denn einen passenden Wagen habe ich nicht gefunden.
Für mich ist der Bausatz eine Empfehlung wert. Gesellt sich zu dem Talbot-Lago nun noch ein Alfa-Romeo Tipo 158 oder Maserati 4CL dazu, hat man ein schönes Trio von Legendären Rennwagen aus den Kinderschuhen des Grand Prix stehen. Und verwendet man definitiv die Startnummer 6, so hat man gewiß ein Siegerauto im Regal stehen.
Erhältlich bei Modellbau Universe.
Dominik Weitzer, Modellbaustammtisch Recklinghausen