Heute stellt uns Sascha Müller einen absoluten Exoten der Luftfahrt nach dem Zweiten Weltkrieg vor – das Geländestartgestell ZELL III der Bundesluftwaffe im Maßstab 1:32 …
Kurzes Zell III Intro
Das Zell Programm stammt aus den Experimenten der deutschen Wehrmacht im 2. Weltkrieg, das aber durch das Ende des Krieges nicht weiter fortgeführt wurde. Durch den Kalten Krieg erfuhr dieses System eine Renaissance in den 1950er Jahren durch die US Air Force. Die Idee hinter Zell bestand darin, dass ein Zusatz-Booster ein Kampfflugzeug oder Abfangjäger nahezu senkrecht starten läßt. Der Booster war nur für einmaligen Gebrauch gedacht und wurde nach dem Ausbrennen abgeworfen. Der zu erwartende Vorteil war, dass die Jets keine Startbahnen benötigen und eine schnellere Startzeit (Senkrechtstart) erfolgen konnte. Da Start- und Landebahnen ein begehrtes Ziel für den Erstschlag eines Gegners waren, sollte mithilfe des Zero-Length-Startsystems einem Ausfall der Jets vorgebeugt werden. In Deutschland wurde die Machbarkeit mit der neu in Dienst gestellten F-104 Starfighter getestet, worauf dieser Bausatz verweist. Das Programm wurde schließlich aus logistischen Gründen und den immer effizienteren Einsatz von Lenkflugkörpern aufgegeben.
Box-Art/Verpackung
Die Box-Art beschränkt sich auf einen Sticker auf der Oberseite der Box, die ein gebauten Starfighter auf dem Zell System darstellt. WICHTIG ist zu erwähnen, dass die Recherche über 100 Stunden in Anspruch genommen und die Militärgeschichtlichen Sammlung in Lechfeld die Macher mit Bildmaterial versorgt hat. Das zeigt, dass die Firma Scale Planes es wirklich ernst meint mit der akkuraten Wiedergabe des Modells.
Kommen wir nun zum Inhalt der Box und da geht es hoch her:
Insgesamt 22 in 3D Druck gefertigte Resingruppen (teilweise noch mit Gitterstützwerk), 3 vorgeschnittene Sperrholz Platten und Decals müssen in den Untiefen der sorgfältig mit Verpackungschips gefüllten Schachtel gefunden werden:
Im übrigen wurde sehr peinlich darauf geachtet, dass auch im Umkarton die Teile weich gelagert werden. Hochprofessionell und mit viel Liebe, es ging nichts kaputt beim Transport!
Die 3D-Drucke
So es ist geschafft! Alle in 3D gedruckten Baugruppen sind vorsichtig aus dem Karton entnommen worden und liegen nun in Ihrer ganzen Pracht vor mir. Auffällig ist, dass sie an Ihrer Gitterstruktur geliefert werden, was ein vorsichtiges Entfernen der fragilen Teile voraussetzt. Gedruckt wurden sie in einem Mittelgrau, was die Kolorierung vereinfacht. Es ist extrem beeindruckend, was der heutige 3D Druck alles kann:
Die Teile sind teilweise extrem filigran und detailliert wiedergegeben. Es sind leichte Drucklinien zu sehen und zu erfühlen, was ein nachträgliches Schleifen der Teile nötig macht. Hier sollte man also sehr vorsichtig und aufmerksam vorgehen, damit nichts bricht. Der Booster wurde in diesem Set schon von seiner Gitterstruktur befreit und etwas angeschliffen. Es ist teilweise unglaublich, dass sogar feinste Niete so genau nachempfunden wurden. Wunderschön! Was ich nicht gefunden habe sind die elektrischen Zuleitungen – das ist schade. Mir ist klar, dass jeder Modellbauer da seine eigenen Techniken hat. Aber um das Kit abzurunden wäre das eine nützliche Dreingabe gewesen.
Die Umrandung der Startgrube wurde auch in 3D gedruckt und weist eine feine Riffelblech-Struktur auf:
In den Sets liegen auch einige Teile für das Cockpit bei. Verwendet man das 1/48 Set muss an der F-104 von Hasegawa das Fahrwerk noch etwas angepaßt werden. Dazu wurde dem 1/48 Set zusätzlich eine Bohrschablone hinzugefügt. In dem vorliegenden Set für die von Italeri vertriebene 1/32 G/S Version des Starfighters ist dieser Arbeitsschritt nicht nötig.
Sperrholzplatten für die Startgrube
Es befinden sich insgesamt 3 Holzteile für die Startgrube in diesem Set. Diese wurden offenbar gelasert und sind 4 mm dick.
Decals
Ein Bogen Decals liegt dem Bausatz bei um die jeweiligen Maschinen aus Lechfeld Juli 1966 (für das vorliegende Set) und Edwards Air Force Base 1963 (derzeit in Recherche und Planung) zu markieren:
Diese sind als Zusatz und Austausch zu den in dem Starfighter mitgelieferten Markierungen. Die Decals sind sehr gut gedruckt und versatzfrei, wobei allerdings die sehr kleine Schrift teilweise etwas verwaschen ist. Man kann diese aber immer noch lesen. Gedruckt wurden die Decals von Military Models.
Bauanleitung
Die Bauanleitung kann man von der Webseite der Firma herunterladen und liegt als 46seitiger DIN A4 Schinken vor. Nach den ersten 5 Seiten mit Informationen, Sicherheitshinweisen & Produkt Infos geht es direkt los mit einer Auflistung der Bauteile die sich über 7 Seiten erstreckt;
Dann kann die wilde Fahrt auch schon los gehen. Der Bau ist in insgesamt 6 (hier Baugruppen benannte) Abschnitte zum fertigen Modell aufgeteilt. Bei Verwendung des Starfighter in 1/48 von Hasegawa ist Baugruppe 7 & 8 zu beachten als Zusatzschritt. Es wird schnell klar das dieser Bausatz nichts für Anfänger ist! Auch wenn die einzelnen Bauabschnitte klar und deutlich erklärt werden, und mit Bilder unterfüttert sind, ist es für jemanden, der es nicht gewöhnt ist, mit Baubeschreibungen in Textform umzugehen, nicht zu empfehlen. Es ist auch wichtig darauf hinzuweisen, dass zur Verklebung der Teile kein handelsüblicher Kleber benutzt werden kann, sondern ein Epoxiharz oder Cyanacrylat-Kleber (Sekundenkleber) benötigt wird. Die Bauanleitung bezieht sich auf das 1/48 Modell, somit müssen die Höhen usw. für die Grube für den Maßstab 1/72 & 1/32 selbst errechnet werden. Hier hätte ein kleiner Hinweis für die anderen Maßstäbe durchaus hilfreich sein können. Die Farbangaben beziehen sich auf das Sortiment der Firmen Gunze und Tamiya als Serviervorschlag. Seite 33 befaßt sich mit den Decals mit dem Hinweis das sich die Anbringung hauptsächlich auf den Booster bezieht. Das ist nachvollziehbar „ABER“ was ist mit den restlichen Decals für die F-104?? Da schweigt sich die Bauanleitung vornehm aus. Das ist sehr schade, Hinweise wo diese anzubringen sind wären wünschenswert. Eine Recherche im Internet hat dann Klarheit geschafft. Ab Seite 34 bis Seite 46 werden die einzelnen Bauteile in Einzelansicht dargestellt was das Auffinden in der Bauanleitung erleichtert. Gut gelöst!
Fazit
Der Hersteller Scale Planes hat hier einen Bausatz auf den Markt gebracht, der mit Sicherheit die Herzen vieler Modellbauer, die sich der Epoche des Kalten Krieges verschrieben haben, höher schlagen läßt. Der Bausatz wird „on demand“ hergestellt in kleinen Stückzahlen auf Zuruf, und das in einer Qualität, wo sich so mancher Modellbausatz Hersteller eine große Scheibe von abschneiden kann. Nicht nur, dass man sich hier auf eine akkurate Wiedergabe des Startgestells durch zig Stunden des Bücherwälzens sicher sein kann, es ist auch eine Nische, der sich bisher kein Hersteller angenommen hat. Was an sich schon großes Lob verdient! Die Bauanleitung (die es zukünftig auch in französischer & englischer Sprache geben soll) weist ein paar Schwächen auf. Es wurde aber schon angekündigt, dass diese etwas überarbeitet wird, was die Hoffnung schürt, dass einige der hier beschriebene Schwächen ausgemerzt werden. Sollte das geschehen, bin ich gerne bereit, noch ein Fleißsternchen zu vergeben, da sich so viel Mühe nicht jeder Hersteller gibt. Diverse Zusatzteile wie Draht und Messingröhrchen müssen noch in Eigenregie hinzugefügt werden. Aber ansonsten wird einem hier alles mitgeliefert was man braucht, um ein wirklichen Eyecatcher in die Vitrine zaubern. Zukünftig wird es noch die Version beim Start und Aufgebockt geben, was zeigt, dass der Hersteller nicht stillsteht und sich Gedanken macht. Alles in allem kann ich dem versierten Modellbauer das Set nur ans Herz legen und es hat die volle Punktzahl redlich verdient.
Rating: 10 von 10
Erhältlich direkt im online-shop des Herstellers.
Dort gibt es auch die 1:48er und 1:72er Version dieses Bausatzes.
Sascha Müller, Modellbaufreunde Lingen