Ich mag Wiederauflagen von schönen US Musclecars aus den 1960ern grundsätzlich. Die goldene Ära der erschwinglichen Autos mit dicken Motoren und einem Design, dass man die Marken noch voneinander unterscheiden kann und auch oftmals einfach die Kinnlade herunterklappen ließ. Damals hatten die Designer noch Mut. Lese ich dann die drei Letter G, T und O darauf, ist das schon einen kleinen Zungenschnalzer wert …
Dieses Mal liegt ein zumindest für mich alter Bekannter auf dem Tisch: der 1969 Pontiac GTO.
Ein Rundumblick der Verpackung lohnt sich meines Erachtens immer. So haben wir auf den Seitenkartonbilder zwei verschiedene Varianten zu sehen, welche sich auf einer langen Seite in Form der gebauten Prototypmodellen wieder zeigen: der GTO als Standardcoupe und als „The Judge“ (der Richter).:
Es sind also zwei Varianten machbar.
Die andere lange Seite zeigt uns die benötigten 12 Farben und einen kleinen Abriss der Geschichte zum GTO. Die technischen Angaben über Länge (21,3 cm) und Teileanzahl (63) rundet den Rundgang ab. Mit Level 4 ist der Bausatz gekennzeichnet:
Ich möchte noch ein paar Sätze zu der durchaus schönen Deckelbildgestaltung verlieren. Mir gefallen die Kartons der aktuellen Ausgaben für den US Markt schon sehr und wenn ich solche Wegweiser sehe, werde ich neugierig.
Also beschäftigte ich mich mit der „North Bound Woodward Avenue“. Ich entschuldige mich für diesen Ausflug. Aber warum nicht einmal ergründen, warum ein Kartonbild so gestaltet ist, wie es ist? Was steckt dahinter? Die Avenue verläuft schon einmal durch Detroit. Bekanntlich sitzt in Detroit der Firmensitz des Fahrzeugherstellers General Motors, was Detroit den Spitznamen „motown“ – abgeleitet von Motortown – beschert hat. Als musikbegeisterter Modellbauender ist sicherlich motown-Records ein Begriff. Bestimmt. GM hatte neben einigen anderen Marken auch Pontiac inne.
In den 1950er/60er war die Woodward Avenue attraktiv und durch „night cruises“ berühmt-berüchtigt. Präziser führt sie vom Zentrum Detroits nordwärts (North Bound) in den Stadtteil „Pontiac“. Was für ein Zufall! Die Woodward Avenue ist ebenfalls als I-75 verzeichnet.
Folgt man der I-75 weiter nordwärts, kreuzt diese die US-10 an einem schicken Autobahnkreuz. Und das Werk? 6 Meilen nördlich der North Bound Woodward Avenue. Dort, wo sich die Woodward Avenue in einem großen Bogen wieder Richtung Süden biegt – bei der Stadtverwaltung ;). Das Schild könnte also durchaus im Bereich des ehemaligen Pontiacwerks stehen.
Hier hat der Designer ein wenig Historie in die Gestaltung des Deckelbildes einfließen lassen. Hat mich nur interessiert. Nur, warum das Symbol der US-10 auf dem großen Schild aufgedruckt ist, erschließt sich nicht. Anyway. Nebensache.
Wenn wir schon lokal in Pontiac sind, schwenke ich noch zum Original. Nicht nur, weil ich ein Fan des GTO an sich bin, sondern auch, um dem geneigten Publikum ein wenig Hintergrundinformationen zukommen lassen möchte. Ich kann nicht voraussetzen, dass ein Autonarr hier im Bilde ist wie ich und ein wenig mehr Hintergrundinformationen ergänzend zu dem auf dem Karton Gedruckten schadet ja nicht.
Der Bausatz stellt die zweite Generation des Pontiac GTO dar. Erstmals wurde der GTO auf Basis des Pontiac Tempest in 1964 vorgestellt. Der Zusatz GTO war zu dieser Zeit lediglich eine Ausstattungsvariante. Er wurde angelehnt an den Ferrari 250 GTO. Ich denke rennbegeisterte Lesende können mit dieser Abkürzung etwas anfangen. Die „Gran Turismo Omologato“ war eigentlich eine Bezeichnung für hauptsächlich sportliche Fahrzeuge, die in Europa an der Tourenwagenrennserie teilnehmen durften. Ich meine, es mussten mindestens 100 Straßenfahrzeuge gebaut werden um diese dann zu homologisieren. Tatsächlich war der Pontiac GTO dafür homologisiert worden! Nice to know: John DeLorean vergab diesen Namen und wer es nicht weiß: John DeLorean war lange bei GM tätig und war für die Entwicklung nicht nur des GTO zuständig, sondern auch den Pontiac Firebird.
Zum GTO zurück. Mit dem Wechsel 1968 zur zweiten Generation, war der GTO eine vollwertige Produktlinie. Das Design änderte sich quasi von einer Limousinenform zu einem Hardtopcoupe. Von 1968 zu 1969 wurden rein optisch die Front und das Heck leicht verändert. Wie alle Amerikaner aus dem Modelljahr 1969er wurden gesetzliche Auflagen erfüllt, was eben leichte Änderungen mit sich brachten (Sidemarkerpflicht). An dem flotten Design aber hat sich nichts verändert.
Angeboten wurde der GTO mit Motoren zwischen 6,6 bis 7,5 Litern Hubraum, die zwischen 350 und 390 PS leisteten. Das Sondermodell „The Judge“ wurde als weiteres Ausstattungspaket im Dezember 1969 angeboten. Markant sind die dreifarbigen Streifen, die Aufkleber „The Judge“ an den Seiten, vorne und hinten sowohl das markanteste Merkmal: der groß aufragende, aber doch elegant eingeschwungene Heckspoiler. Der Judge wurde mit dem Standard-6,6-Liter-Motor und RamAir III oder gegen Aufpreis mit RamAir IV ausgeliefert. RamAir ist wie eine zusätzliche Luftzufuhr ohne mechanische Komponenten wie Turboaufladung oder Kompressor zu verstehen. Erkennbar an offenen Hutzen in den Motohauben, die mit Klappen betätigt werden. Insgesamt wurden vom 1969er GTO annähernd 73.000 Fahrzeuge verkauft, welche rund 6725 Hardtopcoupes und nur 108 Cabrios des GTO beinhalten. Funfact: die ersten 5000 Judges wurden alle in Carousell Red lackiert auch wenn die Standardfarben ebenso verfügbar waren.
Ich möchte ein paar Zeilen von damals zitieren (übersetzt aus dem Englischen), weil sie meiner Meinung nach, den Judge treffend beschreiben:
„Im Gegensatz zum ursprünglichen GTO war der Judge von Anfang an auf einen frechen und mutigen Look ausgelegt. Einzigartige Streifen, ein geschwärzter Kühlergrill, ein in Wagenfarbe gehaltener Spoiler und die erforderlichen „The Judge“-Aufkleber unterschieden ihn von anderen Muscle-Cars auf der Straße.“
Abschließend wurde der GTO zum „Auto des Jahres 1969“ gekürt.
1973 dann ging der GTO in die dritte Generation und 1974 schob Pontiac sofort die 4. und letzte (klassische) Generation hinterher. Dieser wurde auch nur 1974 produziert und danach eingestellt. Der Grund war ein rapides Abfallen der Verkaufszahlen. Wenn man vergleicht, dass in seinen Hochzeiten 1970 von gut 32.700 verkauften Exemplaren nur noch rund 7000 Fahrzeuge in 1974 verkauft wurden, war das Ende abzusehen. Ein kurzes Wiederaufleben feierte der GTO 2003 bis 2006 auf Holden-Basis. Den gibt es übrigens von dem amerikanischen Bausatzhersteller AMT/ERTL. Die Marke Pontiac wurde 2010 im Rahmen der „Restrukturierung“ des Mutterkonzerns GM neben ein paar anderen Marken des Konzerns geschlossen.
Die Historie des Bausatzes ist schnell angeleuchtet. Die Erstausgabe datiert von 1982 und kam von Monogram auf den Markt (Bausatznummer 2294). Dieses (c) taucht beispielsweise auf der Unterseite der Hutablage auf und es ist auch mein gebauter, alter Bekannter. Es ist ein paar Tage her, als ich den baute. Er steht noch immer tapfer in meinem Regal. In 1984 und 2007 legte Monogram den GTO erneut auf (2443 und 2208). Zwischendurch wurde im Jahr 2000 die Version des 1968er GTO dazwischengeschoben. Von Revell-Monogram kamen zwei Ausgaben in 1994 (85-2443) und 1998 (85-6670) in die Regale, von der auch eine Bausatznummer auf den Spritzlingen finden können. Einer dieser Beiden gesellt sich in orange gebaut bei mir im Regal zu der Erstausgabe.
Nun hier also die Ausgabe von 2022. Schütten wir endlich den Inhalt auf den Tisch! Obwohl. Wir können die Bauteile ja nach oben herausnehmen und müssen sie nicht schütten. Deshalb mag ich die US-Kartonagen: Deckel oben abnehmen, reinschauen, anfassen, Deckel zu:
Uns erwarten 5 weiße, einen verchromten Spritzlinge, die Glasteile und die Karosserie. Selbstverständlich die Bauanleitung, die Decals und Reifen runden den Inhalt ab:
Auf die Karosserie, Decals und Bauanleitung gehe ich später ein.
Um über die geringe Bauteileanzahl einfach mal eine Lanze zu brechen, zeige ich ein paar Details. Eine hohe Anzahl hat meiner Ansicht nach nichts mit einem besseren Bausatz zu tun. So ist sowie die Innenausstattung als auch die Polster mit schöner Strukturierung ausgebracht. Die Struktur der Teppiche ist ebenfalls erkennbar:
Auch das Armaturenbrett braucht sich wegen wenigen Details nicht zu verstecken. Eine Aufwertung mit den Decals kann man machen. Jedoch ist die Struktur so scharf, dass man sicher auch nur mit Pinsel, Kreide etc. hier schöne Detaillierungen vornehmen kann:
Das Chassis zeigt einen sehr schönen Rahmen. Der Tank ist angegossen. Ok. Gibt es aber oft:
Die Motorhaube ist innen schön strukturiert, 2 minimale Auswerfermarken können meines Erachtens verschmerzt werden:
Die Chromteile sind für mich akzeptabel. Lediglich die GTO-Buchstaben im Grill sind so erst einmal sehr schwer zu erkennen. Wahrscheinlich sieht man sie besser, nachdem der Grill bemalt ist. Für Wahnsinnige unter uns, hat Revell vier Sätze der Buchstaben G, T und O einzeln (!) auf den Decalbogen gedruckt. Für den Grill, das Heck und jeweils an den Kotflügeln, wie auf dem Detailbild der Karosserie zu sehen. Nichts für mich. Besser bemalen:
Nicht so schön, sind die Sicken an der Karosserie. Nicht nur beim Ford Torino, sind diese leicht verwaschen, sondern auch hier. Ich empfehle diese definitiv nach zu gravieren. Denn ich bin mir sicher, dass diese nach einem ordentlichen Lackaufbau kaum noch sichtbar sein werden. Positiv: Trennnähte oder Fischhäute finde ich so gut wie keine. Im Motorraum ist die Lenksäule dazu angegossen. Also nicht wegschnibbeln!
Die Scheiben sind dadurch, dass sie wie gewohnt separat verpackt wurden, glasklar und ohne Tadel. Es wird ein Komplettteil für Front- und Heckscheibe angeboten, was beim Einkleben doch verhindern könnte, dass man mit den Fingern den Kleber auch auf den Scheiben verteil. Achtung! Im „Dachausschnitt“ der Scheiben sind die Sidemarker mit eingegossen, die im Bauabschnitt 12 entnommen und dann an den Kotflügel (Bauabschnitt 24) angebracht werden! Dazu kommen noch die Dreieckfenster:
Die Reifen sind aus Vollgummi gefertigt und haben leider wieder keine Aufschriften. Das war bei den alten Ausgaben noch anders. Dafür sind jedoch Decals beigelegt. Das Profil ist gut und muss / sollte von der Mitteltrennnaht befreit werden. Aus Erfahrung weiß ich auch, dass die Felgen stramm in die Reifen gedrückt werden müssen. Kleben braucht man hier definitiv nichts:
Die Decals sind wieder sehr gut. Durchweg scharf gedruckt und ohne Versatz. Sofort fällt die Menge an Streifen auf. Sie lassen die Wahl zwischen 4 verschiedenfarbigen Ausführungen, welche auf die unterschiedlichen Karosseriefarben abgestimmt werden. Die Kombinationen kann aus der Bauanleitung, Seite 4 entnommen werden. Das finde ich sehr schick und gut! Gurte, Armaturen und viele kleine Decals vervollständigen den Bogen:
Die Bauanleitung zum Schluss zeigt sich im 8-seitigen Schwarz-Weiß-Format, wie es für den amerikanischen Markt immer beigelegt wird. Ich kann sehr gut damit leben. Sie führt ein paar Informationen zum Fahrzeug auf, listet die benötigten Farben sowie benennt die einzelnen Bauteile mit Namen. Damit kann der Modellbauende gleichzeitig in Erfahrung bekommen, was gerade angebaut wird. Stört mich nicht. Im Gegenteil. Bei diesem Modell kommt noch die Information dazu, welche Farbkombinationen der GTO hatte und welche Streifendecals dazu aufgebracht werden können. Wie eingangs geschrieben: nur der Judge bekommt diese Kriegsbemalung. Was ich aus der Bauanleitung nicht entnehmen konnte ist die unterschiedliche Bemalung des beidseitigen Grills. Da muss beim Judge mehr schwarz aufgetragen werden als beim GTO an sich. Betrachtet man die Bilder von den fertigen Modellen auf dem Karton, erkennt man den Unterschied deutlich:
Mein Fazit?
Insgesamt kann man sagen, dass alles ordentlich gespritzt ist. Mir ist überhaupt nichts Dramatisches aufgefallen. Weder Fischhäute oder starke Auswerfermarken. Wären da nicht die verwaschenen Sicken der Karosserie. Ich empfehle diese nachzuarbeiten. Ohne diesen Mangel, könnte man das Modell noch viel einfacher zusammen bekommen. Ich möchte nicht sagen, dass es ein Wochenendobjekt wäre. Aber möglich ist es allemal, aus der Box schnell ein schönes Ergebnis zu erzielen. Die geringe Bauteileanzahl ist am Ende des Baus überhaupt nicht ersichtlich. Warum hier dann noch Level 4 angegeben ist, erschließt sich überhaupt nicht.
Fertig gebaut zeige ich nur mal meine beiden „Alten“. Der Blaue ist die Erstausgabe und hat schon einiges an verschiedenen Farben hinter sich. Der Orangene die Ausgabe von 1998. Bei diesem sieht man allerdings auch, dass die Sicken grenzwertig ausgeführt sind. Das scheint kein Problem dieser Wiederauflage zu sein:
Christian Weitzer, Modellbaustammtisch Recklinghausen