Ich habe schon lange mit dem Gedanken gespielt, mir das bekannte Marineschulschiff „Gorch Fock“ anzuschaffen. Sehr lange. Das liegt im Grunde daran, weil ich mit zivilen Fahrzeugmodellen aufgewachsen bin und mich bisher in anderen Revieren nicht wirklich richtig einfinden konnte. Mal Hubschrauber, mal was Militärisches. Ich werde nicht warm damit. Ich bin einfach ein Zivilmodellbauer.Ein Schiff war bisher nicht auf meiner Abschlussliste …
Aber da kommt die „Gorch Fock“ ins Spiel oder besser: ins Regal. Ich mag das Schiff. Nicht nur, weil es auf dem 10-D-Mark-Schein aufgedruckt wurde. Mir gefällt es einfach. Die Frage stellte sich mir nur, in welchem Maßstab ich mir die „Gorch Fock“ holen sollte. Als dann ein Modellbaukumpel bei mir stand und diese in der Hand hatte, drückte er sie mir „ab“. Irgendwie dankbar – da er sie nicht unbedingt mag – gelinde ausgedrückt.
Ich glaube zum Original muss man nicht viel schreiben. Erst in jüngster Zeit war sie nicht gerade mit positiven Schlagzeilen in der Presse. Für mich war es geschichtlich zu dieser Zeit einfach interessant, mich über das Schiff schlauer zu machen. Das tat ich dann auch. Nur die Randdaten mag ich kund tun:
Das erste Segelschiff dieser Klasse lief als „Gorch Fock“ im Jahre 1933 vom Stapel. Da es das Typschiff ist, wird nach ihr auch diese Klasse benannt. Dieses Schiff liegt seit 2003 wieder unter altem Namen als nicht seefähiges Museumsschiff in Stralsund.
Insgesamt gehören 6 Segelschiffen der „Gorch-Fock-Klasse“ an. Fünf davon existieren noch und vier sind werden weiterhin als Segelschulschiffe in verschiedenen Marinen dieser Welt eingesetzt.
Als letztes Schiff dieser Klasse wurde diese „Gorch Fock“ (II) 1958 in Dienst gestellt. Sie stellt ein Schwesterschiff der im Jahr 1933 gebauten, ersten „Gorch Fock“ dar. Sie wird deshalb auch oft „Gorch Fock II“ benannt. Sie wurde aus vorhandenen Teilen der „Herbert Norkus“ (welche nicht fertig gestellt und versenkt wurde, spendete jedoch einige seinerzeit eingelagerten Teile) und nach den Plänen der „Gorch Fock“ bzw. „Horst Wessel“ gebaut und steht seit dem Stapellauf als Schulschiff im Dienste der Deutschen Marine.
Dann schauen wir uns mal den Bausatz an…
Auf der Kartonrückseite finden wir einige Bilder des gebauten Schiffes, Farbangaben und ein kleines Bildchen mit den Spritzlingen …… sowie eine „minimal-Geschichte“ des Schiffes samt Inhaltsbeschreibung:
Von Revell ist das die vierte Auflage in diesem Maßstab. Erstmals kam sie 1999 unter der Bausatznummer 5457 auf den Markt. Als Wiederauflagen bescherte uns Revell das Schiff erneut Mitte der 1990er (05457) und 2000 (05658). Nun 2022 erneut.
Diverse andere Hersteller hatten sie ebenso im Programm. Von der ersten Revellausgabe ausgehend, gab es nur von IMAI ältere Bausätze. Wenn man sich die Geschichte dann genauer anschaut, ist es in der Tat so, dass der älteste Bausatz (die „Eagle“ der US Coast Guard / IMAI B-307) von 1977 basiert. Ursprünglich war die „Eagle“ als „Horst Wessel“ drei Jahre nach der „Gorch Fock“ und als zweites Schiff der Gorch-Fock-Klasse vom Stappel gelassen worden. Sie ging 1945 eben als Schulschiff an die USA. In der Zeitlinie findet man noch weitere Bausätze: die „Sagres“, welche unter der deutschen Flagge bis 1945 als „Albert Leo Schlageter“ gesegelt ist und die Nummer 3 in der Reihe der Gorch-Fock-Klasse darstellt, bis 1978 erstmals der Name „Gorch-Fock“ auf dem Karton aufgedruckt wurde (IMAI B-310). Abgerundet wird die Klasse durch die „Mircea“ ( Stapellauf 1938, IMAI B-314).
Mit dem Bausatz aber von Revell, haben die älteren Bausätze von IMAI überhaupt nichts zu tun. Wer aber so etwas Altes sich zu legen möchte, kann ebenfalls zu Aoshima oder Modelist greifen: sie haben in den letzten 3 Jahren auch sie die „Gorch Fock“ – wenn auch unter anderem Namen – auf den Markt geworfen, welche mit den Bausätzen von IMAI identisch sind. Man kann sich also teure Bausätze sparen.
Packen wir endlich den Bausatz aus. Mit seitlichem Eingriff schütteln wir den Inhalt auf den Tisch:
Auf nur zwei Spritzlingen und zwei Vakuumblättern verteilen sich 75 Teile, die zusammengebaut ein knapp 30 cm langes Schiff entstehen lassen wird. Dazu das Oberwasserschiff als ein Teil, eine Rolle Bindfaden, die Bauanleitung und die Decals runden den Inhalt ab.
Die Spritzlinge empfinde ich als erstaunlich gut gegossen. Die Oberflächen des Decks und auch andere Details sind scharf gegossen und gut ,eines Erachtens detailliert. Es gibt keine Auswerfermarken auf den sichtbaren Teilen. Nirgends. Fischhäute habe ich keine gefunden und Trennnähte habe ich nur am Oberwasserschiff am Heck entdecken können sowie leicht an der Galionsfigur am Bauch. Akzeptabel.
Die Segel sind als Vakuumteile beigelegt. Damit habe ich einfach meine Schwierigkeiten und haben mich immer vom Kauf eines Segelschiffs abgehalten. Weiß ich doch, dass es Modellbauermenschen gibt, welche die Segel aus ganz anderen Materialien nachnähen oder Ähnliches. Diese realistisch darzustellen bedeutet schon Erfahrung und ein gutes Auge. Ich hätte mir alternativ die aufgewickelten / hochgezogenen Segel gewünscht. Was ich in diesem Zusammenhang vermisse, ist ein richtiger Tackelageplan. Der Bindfaden wird lediglich für die Vorstag-, Großstangestag-, und Besanbramstagsegel (Bauanleitung Schritt 10) verwendet. Ganz am Ende in der Bauanleitung wird ergänzend aufgezeigt, dass die Masten noch nach unten abgespannt werden.
Die andere Tackelage ist nicht zu finden. Das hat Aoshima in seinen Bausätzen besser und intensiver in der Bauanleitung angegeben. Es lohnt sich ein Blick hinein, wenn man dazu die Nerven aufbringt 😉
Die Decals sind überschaubar und sehr gut gedruckt. Mehr gibt es nicht zu schreiben:
Bleibt die Bauanleitung übrig. Zeitgenössischer, moderner und bunter Druck erwartet uns. In 13 Schritten ist das Modell fertig. Überschaubar:
Ich verstehe nur eine Zeichnung nicht: Im Bauabschnitt 7 / 8 wird mit dem Fragezeichen gezeigt, dass dem Modellbauer überlassen bleibt, die Masten (mit den Rahen) leicht schräg zu stellen – oder auch nicht. Warum? Eine andere Variante wird in der Bauanleitung nicht gezeigt:
Bleibt als Fazit:
Die Bauteile betrachtet, wird das fertige Modell sicherlich kompakt auf seinem Ständer stehe und nimmt nicht all zu viel Platz weg. Ob der Bausatz für einen Anfänger / eine Anfängerin geeignet ist in die Segelschiffwelt einzusteigen möchte, wird sich zeigen. Schwierigkeiten sehe ich nur bei der Tackelage. Aus dem, was ich mir so anlese, ist ein Bindfaden nicht optimal. Die Fans der Segelschiffmodelle greift hier sehr gerne auf den Zubehörmarkt zurück und legt sich elastischen Bindfaden zu. Was dem Anfänger / der Anfängerin sicherlich entgegen kommt ist, dass die Tackelage auf das Notwendigste begrenzt wurde. Für den / die Fortgeschrittenen steht es natürlich frei, sich in aller Detailliertheit auszutoben.
Und da sind dann noch die Segel. Das sieht halt unbearbeitet bestimmt nach Spielzeug aus. Eine Herausforderung, hier Tiefe und „Leben“ herein zu bekommen.
Erhältlich bei Modellbau König.
Christian Weitzer, Modellbaustammtisch Recklinghausen