Bei dieser Bausatzbesprechung geht es um den 2020 erschienenen Bausatz der triebwerklose Horten Ho IX V1von AMP. Ein weiterer Horten Ho IX V1 Kit von AMP ist 2022 erschienen. Hier handelt es sich allerdings um die ursprünglich geplante, aber nie gebaute Variante mit BMW 003 Triebwerken…
Spannend, da es meines Wissens nur die Jumo 004 getriebene Ho IX / Ho 229 (oder falsch Go 229) als Bausatz gibt.
Aber zurück zum Ho IX V1 Segler und etwas geschichtlichen Hintergrund:
Dieser Segler ist der direkte Vorfahre der bekannteren Ho 229. Auf direkten Befehl von Hermann Göring vom August 1943 sollte binnen 6 Monaten eine antriebslose Maschine für den Testbetrieb gebaut werden. Fast zeitgleich wurde durch das Luftfahrtministerium das Luftwaffenkommando IX, welches mit Entwicklung und Bau der Ho IX befasst war, aufgelöst. Um den Auftrag von Göring nicht zu verlieren wurde die „Horten Flugzeugbau GmbH“ gegründet. Der Bau begann, halboffiziell oder halblegal in einer Garage der Straßenmeisterei Göttingen, ohne finanzielle Unterstützung vom Luftfahrtministerium. Alle personelle wie materielle Unterstützung kam von Göring da es ihm offenbar ein persönliches Anliegen war und vom Ministerium war keine Hilfe zu erwarten war.
Die unmotorisierte Ho IX V1 machte am 28.2.1944 (lt. Wikipedia erst am 1.3.1944) mit Heinz Scheidhauer am Steuer ihren Erstflug. Er bescheinigte der Konstruktion gute Flugeigenschaften, was im Erprobungsbericht (7.4.1944 Oranienburg) auch so zu lesen ist.
Schon der Segler war konstruktiv auf den Einbau von BMW 003 Triebwerken ausgelegt. Später sollte der Rohrrahmen des Mittelteils der Ho IX V2 noch mal aufwändig abgeändert werden, um die Jumo 004 Triebwerke einbauen zu können. Die Ho IV V1 hatte ein starres, aerodynamisch verkleidetes Hauptfahrwerk. Diese Verkleidung hatte die Aufgabe die Richtungsstabilität bei eingebauten Triebwerken zu imitieren, darum die langgezogenen Hosenbeine. Das Bugrad war einziehbar.
Da es kein Seitenleitwerk gab musste mit einseitigem Ausfahren von Störklappen an den Tragflächenenden eine seitliche Drehung bewirkt werden. An jeder Flächenspitze sind 2 dieser Störklappen zu finden. Die kleinere Klappe ist für hohe Geschwindigkeiten gedacht (mit Jumo 004/BMW003), die größere für niedrigere Geschwindigkeiten.
Im Februar 1944 wurde der Versuchsgleiter beschädigt als bei der Landung trotz Bremsfallschirm die Hallen des Göttinger Flugplatzes bedrohlich nahekommen. Schneidhauer fährt als Notlösung das Bugrad ein und bremst auf der Nase. Auf Bildern von dem Vorfall sind kaum Beschädigungen zu erkennen.
Am 5.4.1944 kam es zum Bugradbruch durch Flattern des Rades. Ein zusätzlich verbauter Scherenlenker behob diesen Mangel.
Die US Army fand den Versuchsgleiter zu Kriegsende in einer Halle des Platzes Brandis in Hauptbaugruppen zerlegt, aber intakt vor. Bei einer Aufräumaktion wurde die Ho IX V1 später mit anderen Horten Konstruktionen verbrannt.
Der Bausatz
Im schön gestalteten, ausreichend stabilen Stülpkarton findet sich alles für den Bau der Ho IX V1.
Die größten Bauteile sind der obere und untere Flügel in einer Tüte verpackt:
Die Kabinenhaube ist zusammen mit dem Ätzteil und den Decals in einem Tütchen verpackt. Muss doch nicht sein. Was da alles hätte verkratzt werden können:
Zum Glück war nichts verkratzt. Die Haube ist glasklar. Etwas Future kann aber nicht schaden:
Das geätzte Instrumentenbrett….
…und die Decals. Die schönen roten Walkways scheinen auf Bildern aber dunkler als rot zu sein – vielleicht schwarz?
Alle restlichen Teile sind an einem Gussrahmen und ebenfalls eingetütet:
Nach dem Gesamtüberblick kommt der genauere Blick auf die Teile. Die obere Hälfte des Nurflüglers ist übersäht mit Pickeln und kleinen Dellen. Tatsächlich nur die obere Hälfte – da scheint die Form nicht gut gepflegt zu sein. Mit feinem Schleifpapier lässt sich das schnell beheben. Außerdem sind Gravuren auf dem gesamten Flügel zu sehen. Bilder vom Original zeigen aber eine glatte Fläche, nur der Walkway sowie die Klappen und Ruder sind als Linien auszumachen. Wer gern dicht am Vorbild ist sollte die Gravuren spachteln:
An den Flächenenden sind die Störklappen zu erkennen:
Das Bugrad ist schön detailliert:
Ebenso gefällt der ordentlich gepackte Bremsfallschirm:
Weniger schön ist der Flash an dem sonst schicken Rohrrahmen des Cockpits. Da gibt es viel zu versäubern …… damit alles so, wie auf dem bauplan, zusammenpasst:
Die Anleitung gefiel mir nicht so. Beginnend mit einem extrem kurzen geschichtlichen Blick auf die Ho IX V1 in englischer und ukrainischer Sprache geht es auch schon mit unbrauchbaren Humbrol Farbangaben weiter. Die beiden Tarnfarben für den Flieger werden mit Humbrol 25 blau für die Unterseite…
… und Humbrol 60 grün angegeben.
Ich weis ja nicht…..RLM 65 oder 76 und 71 für oben scheinen mir da passender.
Auf Seite 2 ist die Teileübersicht zu finden. Das Ätzteil für das Instrumentenbrett taucht da genau wie die Decals aber nicht auf. Nur konsequent wenn das Ätzteil auch beim Cockpitbau auf Seite 3 nicht erwähnt wird:
Der Bau des Fahrwerks wird lobenswert detailliert gezeigt. Vor allem die Position der Teile zueinander für das Bugrad wird anschaulich gezeigt. Für das starre Hauptfahrwerk hätte ich mir eine Ansicht von hinten gewünscht. Hier ist nämlich darauf zu achten das die Räder nach innen gekippt (ähnlich wie bei der MS 406) angebaut werden:
Fazit
Ein teurer Bausatz mit vielen schönen Details, aber auch vermeidbaren Macken. Die Pickel auf der Oberschale sollte es genau wie den Gussgrat und die mäßige Anleitung in der Preisklasse nicht geben. Trotzdem, ein seltener Vogel den es sonst nur als Resin Klumpen von A+V Models gibt. Für erfahrene Modellbauer alles leicht lösbar, aber der Aufwand wäre vermeidbar gewesen.
Erhältlich beim Sockelshop oder direkt bei AMP im online-shop.
Hartmut Kossmann, Badbergen