„Leichttraktor“ – nur bei eingefleischten Militärmodellbauern klingelt da was!
„Leichttraktor“ – dieser Begriff war mir bislang nur ganz beiläufig über den Weg gelaufen – gewissermaßen als Gegenstück zum „Großtraktor“, auf den ich wiederum nur im Zusammenhang mit den sowjetischen Mehrturmpanzern T-28 und T-35 gestoßen war! Die menschlichen Gedanken gehen mitunter seltsame Wege …
Ein Rheinmetall „Leichttraktor“ als Großserienbausatz im Maßstab 1:35 – wer hätte das vor Jahren für möglich gehalten?
Und dann nicht aus China, sondern aus Europa!
ICM sei Dank für diesen mutigen Schritt in unbekanntes Terrain!
Doch bevor wir die Schachtel öffnen, kurz ein paar Informationen zum Vorbild…
Als „Leichtttraktor“ wurden vier unterschiedliche Panzerprototypen bezeichnet, die ab 1928 im Auftrag der Reichswehr von Daimler-Benz, Krupp und Rheinmetall unter der offiziellen Bezeichnung „Vk 31“ (Versuchskraftwagen) entwickelt wurden. Von dem 10 bis 12 Tonnen schweren Fahrzeug wurden im Frühjahr 1930 vier Exemplare gefertigt und im Sommer des gleichen Jahres zur geheimen Truppenerprobung in die Sowjetunion verlegt.
Die Erprobung deutscher MIlitärtechnik in der Sowjetunion? Nun, für uns, die wir es gewohnt sind, in „Blöcken“ zu denken, wäre so etwas eigentlich kaum vorstellbar. Aber in den 1920er Jahren galten sowhl Deutschland wegen des verlorenen Krieges und die Sowjetunion wegen ihrer bolschewistischen Diktatur als die „Parias“ der Weltpolitik und was läge näher, als wenn sich die beiden Ausgestoßenen zusammentun?
Für Deutschland bedeutete dies die Chance, die Bestimmungen des Versailler Vertrages umgehen zu können und für die Sowjetunion bestand neben einer Anerkennung durch die „bürgerlichen“ Staaten natürlich auch der Vorteil der Teilhabe an moderner Industriepolitik. Der Vertrag von Rapallo vom 16. April 1922 war der offizielle Beginn dieser auf Ausgleich und gegenseitigen Vorteil bedachten Politik.
Heute würde man so etwas eine „win-win-Situation“ nennen. Und so kam es 1929 zur Errichtung einer Panzertruppenschuile in Kazan an der Wolga unter Federführung der deutschen Reichswehr: Hier konnten neue Techniken und Konzepte weitab der alliierten Kontrollkommissionen erprobt werden und die sowjetischen Machthaber profitierten ganz unmittelbar davon! Neben der direkten Ausbildung deutscher und sowjetischer Soldaten und der taktischen Schulung konnten auch Ingenieure aus beiden Ländern ihr Wissen austauschen.
Nach den „Großtraktoren“ wurde nun auch die „Leichttraktoren“ von Rheinmetall und Krupp in Kazan erprobt. Rheinmetall Leichttraktor Nr. 39 legte 1865 Kilometer und Rheinmetall Leichttraktor Nr. 40 nochmals 1735 Kilometer zurück. Während der ausgiebigen Erprobung bis zum Sommer 1932 wurden einige Probleme mit der Laufwerksuaslegung und den Gummi-/Metallketten nach französischem Vorbild deutlich: Die Ketten neigten zu extremem Verschleiß und das hinten angebrachte Antriebsrad ließ mehr als einmal die Kette aus der Führung springen! Die unterschiedlichen Laufwerksauslegungen und die etwas andere Kampfraumgestaltung täuschte jedoch nicht darüber hinweg, dass es beim Vk. 31 letztlich um so etwas wie einen mittleren Kampfpanzer mit immerhin vier Mann Besatzung und einer 3,7cm KwK handelte, die primär zum Panzerkampf gedacht war. Der Großtraktor hingegen war mit seiner 7,5cm Haubitze als Infanterie-Unterstützungsfahrzeug konzipiert. Die Panzerung des Vk. 31 mit 14mm bot jedoch allenfalls gegen Infanteriegeschosse Schutz – für ein Duell unter ebenbürtigen Panzern war das zu wenig!
Auch der Fahrbereich von gerade einmal 140 Kilometern ( bei 150 Litern Benzinvorrat) taugte allenfalls für kleinere Durchbrüche und Panzerduelle – größere Panzerschlachten und Verfolgungen waren angesichts der geringen Benzinreserve nur beschränkt machbar!
Auch die Technik war mittlerweile weiter vorangeschritten – so präferierte das Militär nunmehr einen leichten, nur mit MG oder allenfalls Maschinenkanonen bewaffneten Panzer mit hinten liegendem Motor, der als schneller Durchbruchspanzer in hohen Stückzahlen zu bauen war und eine schnelle Aufrüstung ermöglichte.
Nach ausgiebigen Tests und trotz der oben genannten Mängel in der Auslegung des „Leichttraktors“ bestellte das Waffenamt insgesamt 289 Leichttraktoren, die jedoch nie ausgeliefert und zu Gunsten des späteren Panzer I storniert wurden.
Eine interessante Geschichte und es wirkt schon ein wenig seltsam, dass sich ICM bei nur zwei gebauten Rheinmetall Leichttraktoren überhaupt des Themas angenommen hat!
Aber umso dankbarer sind wir für das, was in der Schachtel zu finden ist …Auf fünf hellgrauen Gussrahmen verteilt finden sich insgesamt 205 Spritzgussteile:Die Wanne besteht aus fünf Teilen und zum Abschluss und für die letztliche Stabilität kommt noch der Aufbau hinzu:
Das ergibt dann eine ungemein stabile Grundlage für den Anbau der Laufwerke und sämtlicher anderer Teile!
Einfach und für Anfänger perfekt geeignet! Und der Detailfreak kann sich, wenn er möchte, am Innenleben austoben – da ICM hier NICHTS vorsieht, sind der eigenen Kreativität keine Grenzen gesetzt!
Und wer weiß: Demnächst gibt es gewiss das eine oder andere Zubehörset!
Was mir negativ aufgefallen ist – die seltsame Art, eine Rohrmünsung darzustellen:Hier soll am Rohrende ein zweites Teil angeklebt werden! Das funktioniert zwar ganz gut (zumindest hab ich es beim Bau nicht verschusselt!), aber warum nicht entweder „slide-mold“ oder einfach massiv zum Selbstaufbohren?
Werfen wir noch einen Blick auf die restlichen Teile:
Wie man gut sehen kann, haben wir es mit einer wirklich tollen Gussqualität zu tun und auch kleinste Teile sind so platziert, dass man sie gefahrlos vom Rahmen trennen kann. Aber:
Gerade die extrem filigranen Rahmenantennen verlangen von uns Modellbauern ALLES ab: Ein unachtsamer Schnitt und die Antennen sind verloren! Es ist machbar, aber im Nachhinein würde ich empfehlen, die Antennen durch dünnen Draht zu ersetzen – das schaut wesentlich besser aus (denn die Angüsse lassen sich nicht hundertprozentig eliminieren, ohne den Draht zu beschädigen!) und spart Nerven!
Die jeweils zweiteiligen Vinylketten sind separat eingetütet …… und sehen auf den ersten Blick brauchbar aus:Die Details sind außen noch ganz ok und innen eigentlich nicht vorhanden:Die Kettenstränge haben tatsächlich eine große Ähnlichkeit mit den Gummi-/Metallketten der französischen Kegresse Laufwerke, von denen sie im Original kopiert waren! Die einzelnen Kettensegmente lassen sich prima mit Sekundenkleber-Gel verkleben und können auch mit diesem Gel auf die Laufwerke aufgebracht werden – das schaut ok aus:
An transparenten Teilen sind zwei Scheinwerfergläser vorhanden – separat verpackt:
Für die einzige vorgeschlagene Markierungsvariante …
… liegt ein wirklich winziger Decalbogen bei:Was ich recht putzig fand: Der „Leichtrraktor“ mit dem „RRRRR“ in der Mitte!
Alles in Allem haben wir Modellbauer es mit einem absolut passgenauen, sehr gut gespritzten Bausatz zu tun, der bis auf die seltsame Rohrmündung absolut auf der Höhe der zeit ist!
Es ist kein Bausatz mit vollem Interieur und beweglichem Laufwerk, aber das war auch gar nicht beabsichtigt:
Ein einfach zu bauender Kit mit wenigen, dafür aber passgenauen Teilen, der zu einem Preis um die 25 Euro einfach nur Bastelspaß pur für ein schönes Wochenend-Projekt verspricht.
Und wer will, kann ja immer noch alle möglichen Teile selbst herstellen oder wartet auf die garantiert bald erscheinenden „Interior“-Sets der Resin- und Ätzteilschmieden!
Von mir gibt es eine klare uneingeschränkte Kaufempfehlung!
Danke ICM für die Möglichkeit, einen Panzer abseits von Sherman, Tiger, Panther&Co bauen zu können!
Erhältlich im online-shop von Modellbau König.
Dr. Michael Brodhaecker, Lingen