Von Zeit zu Zeit erfreut uns Revell mit Wiederauflagen älterer und gesuchter Bausätze – sehr zum Leidwesen einiger Händler, die nun ihre „Raritäten“ nicht mehr zu überhöhten Preisen verkaufen können!
Einen dieser älteren Kits in neuem Gewand, den Teaclipper Cutty Sark, hat sich Mathias Carl als Schiffsexperte etwas genauer angeschaut …
Das Original:
Die 1869 auf der Werft Scott & Linton fertiggestellte Cutty Sark war der letzte speziell für den Seehandel gebaute Clipper und eines der schnellsten Segelschiffe ihrer Zeit.
Ihren Namen erhielt sie nach Robert Burns´ Stück Tom O´Shanter. In dem Stück ist das Cutty Sark ein „kurzes Hemd“ welches der Hexe Nannie gehört. Diese findet sich übrigens als Galionsfigur am Bug wieder, bekleidet mit eben jenem kurzen Hemd.
Nach ihrem Stapellauf wurde die Cutty Sark bis 1877 im Teehandel eingesetzt, gewann aber nie eines der berühmten Clipper-Rennen auf jener Route. Das Ende des Einsatzes auf diesen Fahrten kam mit der Eröffnung des Suezkanals, welcher nur von Dampfschiffen befahrbar war, welche die Route in Teils nur 42 Tagen zurücklegen konnten, während die Segler wie die Cutty Sark bis zu 60 Tage länger brauchten, mussten sie doch um Afrika, genauer das Kap der Guten Hoffnung, herumfahren.
Nachdem Ende als Teeclipper wurde sie zunächst als Trampschiff, also mit wechselnden Frachten auf wechselnden Routen, eingesetzt, bevor sie ab 1885 für Wollfahrten eingesetzt wurde. Hierbei avancierte sie, befeuert durch die Rivalität mit der Thermopylae, zum schnellsten Clipper ihrer Zeit.
1895 wurde sie nach Portugal verkauft und nach ihrer neuen Rederei in Ferreira umbenannt. Diese lies sie 1916 zur Barkentine umriggen um Kosten zu sparen, war doch so weniger Besatzung notwendig. In dieser Form und unter diesem Namen lief sie bis 1922, als sie erneut den Besitzer und Namen wechselte. Die nunmehrige Mara do Amparo der Companhia Nacional de Navigacao lief im selben Jahr aufgrund eines Sturmes Falmouth an. Ein Besuch, der sich als schicksalhaft erweisen sollte:
Kapitän Wilfred Dowman, welcher bereits als Schiffsjunge auf der damaligen Cutty Sark gefahren war, erkannte das Schiff, trotz des katastrophalen Zustandes in dem es sich befand, wieder. Er kaufte das nunmehr über 50 Jahre alte Schiff und lies es nach Falmouth verholen.
Hier machte er sich, unterstützt von seiner Frau, an die Restauration des Schiffes um es in den Originalzustand zurückzuversetzen. Bis 1938 diente sie als stationäres Schul- und Ausbildungsschiff. In jenem Jahr wechselte der nunmehr wieder Cutty Sark genannte Segler als Geschenk der Kapitänswitwe erneut den Besitzer, diesmal ging sie an das Thames Nautical Training College.
1954 trat die Cutty Sark ihre letzte Seereise an, welche sie in das eigens geschaffene Trockendock in Greenwich führte, wo sie seit 1957 als Museumsschiff der Öffentlichkeit zugänglich ist.
2007 traf eine Katastrophe das für Restaurierungsarbeiten geschlossene Schiff. Es kam zu einem Brand der weite Teile des Rumpfes vernichtete. Zum Glück war ein Gutteil der Ausrüstung, wie z.B. die Masten, genauso ausgelagert wie das zur Restaurierung notwendige Teakholz. Alles immerhin Werte von gut 1.000.000 £ Sterling. Somit konnte die Renovierung nach dem Brand, nicht zuletzt da auch das Spantgerüst aus Eisen nicht nachhaltig beschädigt war, vollendet werden. Das Museum wurde 2012 im Beisein von Königin Elisabeth II. und Prinz Philip wieder eröffnet werden.
2014 wurde das Schiff während eines Feuers an Deck erneut beschädigt, konnte allerdings bereits kurz danach wieder eröffnet werden.
Der Bausatz:
Der vorliegende Bausatz wurde von Revell bereits in den 1960ern das erste Mal aufgelegt und war immer mal wieder in verschiedenen Boxen, teils sogar als Themopylae, auf dem Markt erhältlich. Dies ist etwas, das man im Hinterkopf behalten sollte, wenn man den Bausatz betrachtet und bewertet.
Im stabilen Stülpkarton im neuen Firmendesign befinden sich die fast 700 Teile, verteilt auf 11 Spritzlinge, die beiden Rumpfhälften sowie drei Vacuform-Bögen mit den Segeln.
Ergänzt wird der Bausatz noch um 4 Sterne mit Garn, sowie eine Ankerkette aus Metall und einen Decalbogen.
Die beiden Rumpfhälften sind sauber gespritzt und weisen, trotz des oben angesprochenen Alters, kaum Gussgrat oder Fischhaut auf.
Durch die recht massive Ausführung, teilweise sind die Rumpfwände 2 mm stark, findet man auch keinerlei Sinkstellen.
Die Beplankung der Bordwände weist eine angemessene, erhaben ausgeführte, Struktur auf. Gleiches gilt auch für die Kupferbeplattung des Unterwasserschiffes. Hier sind sämtliche Nägel zur Befestigung der Platten dargestellt. Ein Detail, dass sich auch weiter oben an der Bordwand in sehr guter Ausführung wiederfindet.
Spritzling I enthält Teile für die Masten, hier hauptsächlich die Rahen, Salinge und die Blöcke. Ergänzt wird dies um Teile für Pumpen, Anker, etc.
Die Teile an sich sind gut ausgeformt, weisen aber an einigen Stellen erhebliche Fischhaut und ungünstig gelegene Gussgrate auf. Gerade an den Filigranteilen ist dementsprechend Vorsicht bei der Bearbeitung geboten.
Spritzling II und IV enthalten größtenteils die Nagelbänke, welche notwendig sind um das laufende Gut vernünftig ziehen und belegen zu können.
Auch finden sich hier Teile der Aufbauten, sogar mit geöffneten Türen.
Allerdings gibt es kein verbaubares Innenleben, so dass hier ggf. Eigeninitiative gefragt ist. Sinngemäß gilt hier da gleiche, wie bei Spritzling I: Die Teile weisen Gussgrat an ungünstigen Stellen auf, was sich vor allem bei den Blöcken bemerkbar macht, die viel Nacharbeit erfordern.
Übrigens sollte man sich nicht von der Nummerierung der Spritzlinge beirren lassen.
Diese sind trotz differierender Nummern zusammengespritzt. Daher bietet es sich an, sich zur Orientierung an die Teileübersicht der Anleitung zu halten.
Der nächste Spritzling, leider ohne eigenen Nummer, enthält Teile für die Kutter und die Aufbauten, ergänzt um weitere Nagelbänke. Die Teile, gerade für die Kutter, weisen eine schöne Holzstruktur auf, aber leider befinden sich dort auch Auswerfermarken und Angüsse, so dass es schwierig werden dürfte, diese Struktur beim Versäubern zu erhalten.
Der letzte der braun ausgeführten Spritzlinge enthält die letzten Rahen und Spieren sowie bereits Teile der Wanten.
Leider ist die entsprechende Struktur gerade der Wantenteile nur auf der Vorderseite zu finden.
Die Rückseite ist blank oder weist entsprechende Nummerierungen der Bauteile auf. Ein Manko das dem Alter des Bausatzes geschuldet ist.
Der erste der weiß ausgeführten Spritzlinge beinhaltet hauptsächlich die Teile für Achter- und Mitteldeck, ergänzt um die eine Hälfte der Unterbauten der Masten. Leider sind die Teile entlang der gesamten Längen geteilt, so dass hier entsprechende Spachtel- und Versäuberungsarbeiten anfallen. Die restlichen Teile sind altersgemäß sauber ausgeführt.
Weitere Teile für die Masten, die Decks sowie die Kutter finden sich am letzten weißen Spritzling. Hier befindet sich auch die Gallionsfigur der Hexe Nannie.
Die Decks weißen alle eine angemessene Holzstruktur auf, allerdings sind auch hier mitten in der Maserung wieder Auswerfermarken zu finden, was sich nachteilig auf die Optik auswirkt.
Am letzten, schwarzen Spritzling, finden sich die Wanten. Diese sind allesamt sehr sauber gespritzt und ausgeformt. Somit bleiben gerade diese, sonst nur sehr aufwendig zu versäubernden Teile, von dieser leidigen Arbeit verschont.
Ergänzt werden die Spritzgussteile noch um einen kleinen Spritzling mit 20 Seeleuten.
Wenn man ein wenig Zeit in die Recherche steckt, stellt man fest, dass dies im Endeffekt die gesamte Besatzung des Schiffes darstellt. Lediglich in der Anfangszeit ihrer Karriere führte die Cutty Sark eine größere Besatzung von 28 Mann.
Die Segel verteilen sich auf 3 Platten und umfassen neben den Hauptsegeln auch jene an den Spieren, die gesetzt wurden um auch den letzten Zehntelknoten herauszukitzeln.
Wie bei diesen Ausführungen üblich, weisen die Segel eine grobe Struktur auf, die für diesen Maßstab als Darstellung des Leinentuchs aber eher ungeeignet ist.
Durch die hellbraune Färbung des Kunststoffs stellt sich die Frage, wie sich die Einfärbung der Segel beim späteren Bau gestaltet.
Decals:
Der kleine Decalbogen ist randscharf gedruckt. Enthalten sind die goldene Bug- und Heckzier sowie die Namenszüge an Steuer- und Backbord. Ergänzt werden diese noch um die Tiefgangsmarken.
Hinzu kommt noch ein Bogen mit Papierflaggen, der das Rufzeichen sowie das Red-Ensign umfasst.
Anleitung:
Die farbige Hochglanz-Anleitung …
… führt in 105 klar gegliederten Schritten übersichtlich zum Ziel. Die einzelnen Schritte sind so aufgebaut, dass sich auch Anfänger gut zurechtfinden dürften.
Wie bei einem Großsegler nicht anders zu erwarten, entfallen alleine 12 Seiten nur auf die Takelage.
Dieser Abschnitt ist ebenfalls sehr übersichtlich gegliedert, so dass die komplexe Takelage gut zu bewältigen ist. Denn auf den ersten Blick werden nahezu alle Leinen des Rigs komplett wiedergegeben. Ein Fakt, der später am fertigen Modell sehr beeindruckend wirken dürfte.
Aufgrund der Komplexität und der hohen Anzahl der Teile empfiehlt es sich die Anleitung vor Beginn der Arbeiten einmal komplett durchzusehen, um so einen Gesamtüberblick zu gewinnen. Entsprechend hilfreich ist auch die Teileübersicht am Anfang der Anleitung.
Die Farbangaben beziehen sich auf das firmeneigene Sortiment von Revell und machen gerade bei den hauptsächlich zu verwendenden Farben einiges an Mischarbeit erforderlich.
Ob man dies auf sich nehmen möchte, bleibt aber jedem selbst überlassen, denn sicherlich gibt es da genug Alternativen.
Fazit:
Mit der Wiederauflage dieses Bausatzes ermöglicht es Revell, einen der bekanntesten, wenn nicht den bekanntesten Clipper als Modell für die heimische Vitrine zu erstellen. Zwar ist die Teilezahl recht hoch, aber das ist der Größe des Modells geschuldet. Alles in allem ist der Bausatz, so wie er vorliegt, ein in sich schlüssiges Gesamtpaket.
Bewertung:
Bereits aus der Box gebaut erhält man ein sehr beeindruckendes Modell, welches immerhin über 90 cm lang und fast 60 cm hoch ist. Aufgrund ebenjener Größe und der komplexen Takelage ist der zurecht mit Level 5 angegebene Bausatz definitiv nichts für Anfänger, da hier das Frustpotential sehr hoch ist. Der erfahrene Modellbauer erhält hier aber eine gute Grundlage für ein ansehnliches Modell.
Mathias Carl
Quellen:
Baker: The story of the Cutty Sark and other great Chnia-Clippers
Villers: The Cutty Sark, last of a glorious era
Hume/Armstrong: The Cutty Sark and Thermopylae e