Heute vor 73 Jahren, am 12. April 1945, versenkte eine Einheit aus neun Betty/Ohkas den US-amerikanischen Zerstörer USS Mannert L. Abele bei Okinawa.
Grund genug, uns einmal etwas näher mit diesem kaiserlich-japanischen „Kamikaze“-Gerät und seiner Verwendung zu beschäftigen …(Quelle:
Der US-amerikanische Zerstörer „USS Mannert L. Abele“ (benannt nach dem U-Boot Kommandanten Lt.Cdr. Mannert L. Abele, der seit 1942 mit seinem U-Boot samt Besatzung vermisst war), dessen Stapellauf am 23. April 1944 die Witwe des Namensgebers beiwohnte, wurde von der US Navy im Juli des gleichen Jahres in Dienst gestellt und traf nach Erprobungsfahrten im Atlantik im November 1944 in Pearl Harbor ein. Im Januar war sie Teil der Invasionsflotte vor Iwo Jima, im März wurde der Zerstörer Teil der Landungsflotte vor Okinawa.
Mehrere japanische Angriffsversuche auf die vor Okinawa liegende Unterstützungsflotte konnten auch durch den Einsatz der Mannert L. Abele abgewehrt werden, bis am 12. April ein Verband aus drei „Zeros“ sich dem Zerstörer näherten – zwei konnte die bordeigene FLAK zum Absturz bringen, die dritte jedoch landete einen Treffer im Maschinenraum des Zerstörers, der daraufhin ohne Energieversorgung und manövrierunfähig war.
Den Todesstoß versetzte dem Schiff dann eine Gleitbombe Yokosuka MXY-7 „Ohka“, die den Zerstörer mittschiffs traf, worauf er auseinanderbrach und sank.
Wer das ganze Drama noch einmal nachlesen möchte, dem sei der ausführliche Bericht von Roy S. Anderson „Three minutes off Okinawa. The sinking of the radar picket Destroyer Mannert L. Abele by Japanese Kamikaze aircraft“ aus dem Jahre 2007 an´s Herz gelegt. (Allerdings ist das Buch nur noch antiquarisch zu bekommen, aber eine Suche danach lohnt!)
Wie so viele Waffensysteme, die untergehende Reiche als „letzte Schlachtreihe“ einzusetzen pflegen, war auch die „Ohka“ ein verzweifelter Versuch, durch das bewusste Opfern ihrer Piloten das Ruder in einem verlorengehenden Krieg Japans gegen den Rüstungsgiganten USA noch einmal herumzureißen. Und wie auch ähnliche „Wunderwaffen“ in Europa dienten diese Systeme letztlich nur dazu, den jeweiligen Machthabern noch einige Wochen oder Monate mehr zu verschaffen!
Die MXY-7 „Ohka“ enstammte einer Idee des kaiserlich Japanischen Luftwaffen-Fähnrichs Mitsuo Ohta, der mit Unterstützung der Universität Tokio und des Yokosuka Marinedepots seine Idee einer pilotierten, mit Sprengstoff gefüllten und durch Raketen oder Jet-Triebwerke angetriebenen Gleitbombe ab September 1944 in die Tat umsetzen konnte.
Von der „Ohka“ gab es im Wesentlichen vier Ausführungen:
-Modell 11, eine von drei Feststoffraketen angetrieben Version, von der insgesamt 755 Stück gebaut wurden;
-Modell 22, die mit einem Jet-Triebwerk ausgestattet war und im Juni 1945 ihren Erstflug hatte. Ca. 50 Expemplare wurden gebaut, jedoch standen wohl nur etwa 20 Triebwerke zur Verfügung!
-Modell 33, 43 und 53: vergrößerte Versionen mit anderen Triebwerken, wovon die Modell 43A erwähnenswert ist: Sie sollte über klappbare Tragflächen verfügen, um sie von U-Booten aus starten zu können!
-Das Modell K1 sollte als antriebsloser Trainer der Schulung zukünftiger Ohka-Piloten dienen, wobei ein- und zweisitzige Versionen geplant waren. Von der Einsitzer K1 wurden immerhin noch 40 Stück fertiggestellt; der Zweistzer soll ebenfalls in geringer Stückzahl realisiert worden sein.
Wie sah nun der Einsatz dieser Gleitbomben aus?
Zunächst einmal gilt festzuhalten, dass die Ohka von Anfang an als Kamikaze-Waffe gedacht war: Der Pilot sollte sich mit seiner Sprengladung in den Tod stürzen – ein Aussteigen kurz vor dem Ziel war weder möglich noch vorgesehen!
Die MXY-7 wurde zu Beginn der Einsätze im Bombenschacht einer Mitsubishi G4M „Betty“ hängend zum Zielgebiet geflogen, in Sichtweite ausgeklinkt und danach versuchte der Pilot, sich im Gleitflug dem Ziel soweit zu nähern, dass er kurz vor dem „Kontakt“ das Raketentriebwerk zünden konnte.
Die Ohka beschleunigte dann auf immense 930 km/h im Sturzflug und schlug mit enormer Wucht in das Ziel ein – was auch erklärt, wieso die Mannert L. Abele nach dem Treffer am 12. April sofort auseinanderbrach!
Für spätere Einsätze mit der Ohka Modell 22 war die Yokosuka P1Y „Ginga“ als Trägerflugzeug vorgesehen, weil sich die „Betty“ als extrem langsames und dadurch leicht abzuschießendes Ziel erwies!
Die gesamte kurze Einsatzgeschichte der Ohka war geprägt von Abschüssen der Trägerflugzeuge und der im Gleitflug sich nähernden Ohkas. Die wenigen Maschinen, die tatsächlich nahe genug an ihr Ziel herankamen, waren wegen der enormen Beschleunigung nur von erfahrenen Piloten wirklich zu beherrschen – an denen es natürlich gegen Ende des Krieges mangelte. Unzureichend ausgebildete und unerfahrene Kamikaze-Piloten konnten mit solchen Waffen eigentlich kaum Erfoge erzielen und opferten sich folglich völlig umsonst!
Die Bilanz der Ohka-Einsätze liest sich daher auch recht dürftig:
Nur 7 Schiffe konnten von Ohka-Piloten versenkt, bzw. schwer beschädigt werden!
Am 1. April 1945 versuchten sechs „Bettys“ ihre Ohka in´s Ziel (die Flotte vor Okinawa) zu bringen – offensichtlich ohne dass ein substantieller Treffer erzielt werden konnte! Alle sechs „Bettys“ wurden abgeschossen!
Am 12. April 1945 folgte dann der Angriff der neun „Bettys“ auf die US-Flotte vor Okinawa, dem die Mannert L. Abele zum Opfer fiel. Zwei weitere Ohkas verfehlten den Zerstörer Stanly. Nur eine „Betty“ konnte dem Abschuss entkommen!
Am 14. April 1945 versuchten sieben „Bettys“ ihre Ohka in´s Ziel zu bringen – keine Ohka konnte ausgeklinkt werden und keine der „Bettys“ kehrte zurück!
Am 16. April attackierten sechs „Bettys“ erneut die vor Okinawa ankernede US-Flotte – keine der Ohkas traf ihr Ziel und nur zwei „bettys“ schafften es, dem Inferno zu entkommen!
Am 28. April 1945 der nächste erfolglose Versuch von vier „Bettys“, ihre Ohkas an den Gegner zu bringen – eine „Betty“ kam zurück; Treffer wurden keine gemeldet!
Am 4. Mai griffen sieben „Bettys“ erneut die Flotte vor Okinawa an: Eine Ohka konntte den Minenleger Shea treffen und starke Beschädigungen herbeiführen. Eine der sieben „Bettys“ überlebte den Angriff.
Der 11. Mai sah dann wieder einen Erfolg für die Ohkas: Vier „Bettys“ attackierten die Flotte und der Zerstörer Hugh W. Hadley wurde so schwer getroffen, dass er nicth mehr reparabel war!
Am 25. Mai wurden elf „Bettys“ losgeschickt – auch hier ohne jeden Erfolg.
Der letzte „Betty“/Ohka Angriff fand dann am 22. Juni 1945 statt, als sechs „Bettys“ angriffen: Es konnten keinerlei Treffer erzielt werden bei Verlust von vier Bombern.
Letztlich waren die Opfer der „Betty“- und Ohka-Piloten sinnlos: Keines der großen Schiffe der US Navy konnte versenkt werden und die mit dem Kamikaze-Einsatz versenkten oder beschädigten Zerstörer rechtfertigen kaum den immensen Einsatz von Technik und Menschen!
Zurück bleibt ein Schaudern angesichts des Einsatzes von Menschen als Waffe.
Dr. Michael Brodhaecker, Lingen