Kit-Archäologie: F-84F Thunderstreak in 1:72 von Revell #H-2002

Als krönenden Abschluss unserer kleinen Reihe zur neuen F-84F Thunderstreak von Special Hobby wirft Michael Funke nun einen sentimentalen Blick auf einen Bausatz, den viele Modellbau-Oldies noch kennen werden …
Archäologie beschäftigt sich ja immer mit Dingen die vergangen sind und mit fürchterlich alten Gegenständen. Das gilt natürlich auch für die F-84 F von Italeri. Aber auch im Angesicht der aktuellen Special-Hobby sollte dieser Artikel ich nicht mit einem hämischen „Höhöho“ eingeleitet werden. Passender scheint ein tiefes „Ho Ho Ho“, das in eine Weihnacht der 1970er Jahre führt.

Am jedem 24. spielte ich mit meinen Brüdern Monopoly, bis das Christkind kam. Übrigens nicht zu verwechseln mit dem kleinen Jesuskind. Obwohl jenes dem Vernehmen nach von Geburt an über beste Beziehungen verfügte – meine waren auch nicht von schlechten Eltern:
Vom Onkel Nr. 1 gab es ein Flugzeugbuch, der Rest darreichte dem glücklichen Kind Polystyrol in Form von allen möglichen Bausätzen. Der gemeinsame Nenner wurde vorab unter Eltern, Verwandten und Freunden der Familie festgelegt: Irgendein Flugzeug, das er noch nicht hat.

Im Ergebnis fanden sich Box-Scale-Möhrchen und einigermaßen formtreues Nietengedöns in 1:72 einträchtig auf dem Gabentisch. Die kindliche Art und Weise, wie ich die Packungen aufriss, mich des Inhalts bemächtigte und diesen schließlich sinnvoll zusammenfügte, ähnelte jenen zeitgenössischen Filmchen, in denen ein Mensch mit einer Kettensäge anderen Menschen ohne Kettensäge hinterherläuft und diese schließlich metzelt. Aber mit der Zeit wurde ich erfahrener, sorgfältiger und aufmerksamer.

Wenn es also um die F-84 von Italeri geht, dann geht es, siehe oben, um eine Zeitmaschine. Es geht aber auch, ja sogar ziemlich auch – um ein neues Zeitalter, das damals im Begriff war, anzubrechen…

Stellt man sich die Mehrzahl der damaligen Kits als eine Art Dinosaurier vor, (primitiv, klobig aber nun mal in der Mehrheit), dann war das, was ich Weihnachten 1975 in der Hand hielt, so etwas wie die ersten Säugetiere: Noch in der Minderzahl, dafür anpassungsfähig und raffiniert. Die letzen Vulkane des Nietozäns erloschen, die Strukturoflossler waren an Land gegangen, in fernen asiatischen Urkontinenten flog bereits der eine oder andere Gravuropteryx.

Um offen zu sein, ich war ein wenig geschockt: Was war das? WOW.

Gewohnt war ich die gewöhnliche Boxart. Ebenso war es für mich normal, dass es immer eine gewisse Diskrepanz zwischen dem Ölgemälde auf dem Deckel und dem Plastik drinnen gab. Ganz zu schweigen von dem, was ich schließlich ins Regal stellte.

Das hier komplett war anders. Es handelte sich um das „Revell/Italaerei“-Boxing. (Noch ein Einschub: Italerie schrieb sich damals wirklich so):Revell-H-2002-F-84F-Thundersteak-1 Kit-Archäologie: F-84F Thunderstreak in 1:72 von Revell #H-2002

Und das war kein Flunkern mehr, sondern ein Versprechen: „Guck, mal: Soooo toll kann ein Düsenjäger aussehen, wenn Du Dir Mühe gibst.“

Denn die erwähnte Boxart zeigte schlicht ein aus der Schachtel gebautes und bemaltes Modell.

Das war an sich nix Neues, Revell ersetzte damals sogar etablierte Boxart mit ebensolchen Motiven, was ein weiterer Grund ist, modellbauarchäologisch abzuschweifen:

Ein schönes Beispiel dieser Politik ist die He 219 mit der Inventarnummer H-112: Die alte Boxart zeige eine Maschine, von schräg vorn, aus allen Knopflöchern Leuchtspurfäden spuckend, während unten in Gegenrichtung eine am Leitwerk und Motor getroffene Lancaster über einer brennenden Stadt schwelte und aus dem Rumpfstand erfolglos Leuchtspur Richtung Heinkel sandte. Beeindruckend, spektakulär und für viele Bastler jener Zeit geradezu ikonisch:

Aber ob eine aufwändig gemalte Luftkampf-Szene über einer brennenden Stadt (!) so künstlerisch wertvoll ist, dass sie dazu verwendet werden sollte, Kindern und Halbwüchsigen das Taschengeld aus den Manchester-Hosen zu ziehen? Tja …

Anfang der 1970er machte man sich sogar bei der Politik Gedanken drüber, und angeblich gab es schon bald eine Richtlinie, oder sie war in Planung. Inhalt: Gewalt-Darstellungen auf Bausatzpackungen wurden verboten. Was die Gestaltung von Boxart erheblich einschränkte. Tatsächlich wurden viele Motive gewaltloser. Revell war hier extrem konsequent und zeigte Fotos gebauter Modelle. Auch die aus alten Formen. Das Ergebnis war ernüchternd.

Die erwähnte He 219 erschien nunmehr wie ein Fischstäbchen, das mit einer Reihe undefinierbarer Prügel garniert war. Oder so.
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Hier kommt nun wieder die Boxart von Revell/Italaerei ins Spiel. Bei der F-84 sah nämlich nichts krumm oder schief aus, klobig, mit Details wie Baumstämmen. Nein, das war hier kein primitiver „Düsenjäger“ für den Sandkasten. Das, was ich auf dem Bild sah, wirkte gut, neu, anders. Richtig. Wie so ein kleines namenloses Säugetier, das einem Tyrannosaurus ein Bein gestellt hatte.

Tatsächlich fanden sich in der Schachtel 45 Teile. 45 Teile. Und alle verschieden. Scharf gegossen. Ohne eine winzige Spur von Fischhaut.

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So tolle Weihnachtsmodelle hatte ich noch nie! Denn die RF-84 wurde gleich dazu gepackt! Früher war mehr Lametta? Ja genau.

Und so erscheinen mir im Rückblick der zweite Weihnachtstag und die Tage bis zum Jahreswechsel vom Wetter her trüb und von Tun her klebrig.

Vom Original hatte ich natürlich keine Ahnung. Mir wurde erst später bewusst, dass die F-84 ungefähr das Beschleunigungsvermögen einer Schildkröte aufwies, der man einen Heißluftfön umgeschnallt hatte. Für Freunde der Fakten: Die Steigrate der F-84 F betrug knappe 12 Meter in der Sekunde. Die der Me 262 ca. 19 Meter in der Sekunde. Immerhin erreichte das amerikanische Gerät im Idealfall 1123 Km/h, aber das dauerte wohl derart lang, dass der Krieg bis dahin vorbei gewesen wäre.

Andererseits gehörte die F-84 zur Erstausstattung vieler NATO-Luftwaffen, und damit gab es mehr als einen Grund für ein sehr ordentliches Modell.

Tatsächlich wurden diese Formen immer wieder genutzt. Vor Jahren habe ich mir ein Original-Boxing der RF-84 besorgt. Natürlich ist die Nostalgie über einige Passungenauigkeiten hinweg gegangen. Das merkte ich beim Zusammenbau. Aber das Ergebnis stellte mich zufrieden:
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Da ich nun auch die F-84 F bauen wollte, legte ich mir ein späteres Revell-Boxing zu. Von 1993!
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Puuh. Hier wurde mir zum Beispiel gewahr, dass die Luftbremsen nicht durchbrochen waren, sondern die Nieten aufgesetzt:Revell-H-2002-F-84F-Thundersteak-7 Kit-Archäologie: F-84F Thunderstreak in 1:72 von Revell #H-2002

Aber während man das in den 70ern noch als Nagelfeile nutzen konnte, zeigt die Form doch ihr Alter. Im Prinzip ist jedes Detail verwaschen, das Gleiche gilt für die aufgesetzten Strukturen.

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Unabhängig davon findet der Innenraum nicht statt, es empfiehlt sich, den Innenraum schwarz anzupönen und einen Piloten hinein zu drapieren. Aber bitte einen aus der Grabbelkiste. Man verzeihe mir an diese Stelle ein landläufiges Vorurteil über die Durschnitts-„Größe“ italienischer Männer. Aber selbst dann … der Bausatzpilot ist einfach zu klein!

Die Glasteile sind ordentlich und nach einer Politur und einem Future-Bad sicherlich brauchbar:Revell-H-2002-F-84F-Thundersteak-14 Kit-Archäologie: F-84F Thunderstreak in 1:72 von Revell #H-2002

Aber angesichts des detailarmen Innenraums stellt sich die Frage nach Aufwand und Ertrag. Mit dem aktuellen Special-Hobby-Bausatz gemein hat die Italeri-Variante Fahrwerksklappen, die an die Beine des Hauptfahrwerkes angegossen sind:Revell-H-2002-F-84F-Thundersteak-4 Kit-Archäologie: F-84F Thunderstreak in 1:72 von Revell #H-2002

Ansonsten verbietet sich jeder Vergleich. Selbst der des Preises. Es ist jederzeit möglich, sich per Internet-Auktionshaus eine Italeri zuzulegen. Zum Teil zu überhöhten Sammlerpreisen, ansonsten in Preisregionen um 20 Euro. Und dafür bekommt man bereits die Special Hobby!

Kurzum: Wer eine hat, kann sie nicht nur bauen, er sollte es sogar. Denn mit nur wenig Mühe kann man immer noch ein schönes Ergebnis hinstellen. Alle anderen wenden sich an ihre Partner und Ehefrauen. Denn bald ist wieder Weihnachten.

Michael Funke (aka „Russfinger“), Hamburg