15. Juli 1915 – der erste Luftsieg mit einem Fokker Eindecker

Am 15. Juli 1915, heute vor 100 Jahren, errang Kurt Wintgens den ersten offiziell bestätigten Luftsieg mit einem synchronisiert durch den Luftschraubenkreis schießenden Maschinengewehr – eine technisch äußerst innovative Erfindung, die den Luftkrieg revolutionieren sollte.
Grund genug, die Entwicklung des ersten wirklichen modernen Jagdflugzeuges, der Fokker E.I einmal Revue passieren zu lassen …

Fokker_EII_WNr_257 15. Juli 1915 - der erste Luftsieg mit einem Fokker Eindecker
Quelle: WikiMedia

Die von den Alliierten „The Fokker Scourge“ (Fokker Plage) genannte temporäre Luftüberlegenheit der kaiserlichen deutschen Luftstreitkräfte während des zweiten Kriegsjahres geht auf den Einsatz der bewaffneten Fokker-Eindecker von Juli 1915 bis Anfang 1916 zurück und war -Ironie des Schicksals- letztlich nur eine Antwort auf die von den französischen Luftstreitkräften eingesetzten modernen Morane-Saulnier Jagdflugzeugen mit ihrem durch den Propellerkreis schießenden Hotchkiss-MGs:
Dieses „direkte Schießen“ revolutionierte den Luftkrieg und führte zu steigenden deutschen Verlusten.
Hauptaufgabe der Luftwaffen war während des ersten Kriegsjahres die Aufklärung und natürlich hatte der jeweilige Gegner Interesse daran, diese Luftaufklärung zu verhindern. „Luftkrieg“ bedeutete in jenen Anfangsjahren Schießen durch den Piloten oder Beobachter aus dem Cockpit heraus mit Pistolen, Karabinern und Maschinengewehren – mit dem gesamten Flugzeug zu zielen war fast unmöglich und die unterschiedlichsten Möglichkeiten, eine Waffe zur Abwehr feindlicher „Apparate“ unterzubringen, wurden erprobt:

Bei der französischen SPAD A.2 sass der MG-Schütze in einer Kanzel VOR dem Propeller, um freies Schussfeld zu haben:

A-Model-SPAD-A.2 15. Juli 1915 - der erste Luftsieg mit einem Fokker EindeckerEine gewiss recht „windige“ Angelegenheit!
Noch ein bißchen windiger war die Unterbringung des MG-Schützen in der Deperdussin TT:

Deperdussin-TT-1914 15. Juli 1915 - der erste Luftsieg mit einem Fokker Eindecker
Letztlich erfolgreich war jedoch ein gänzlich anderes System, das der französische Flieger Roland Garros (Tennisfans vielleicht als Namensgeber des bekanntesten französischen Turrnierplatzes bekannt!) perfektionierte:

Garros´ Morane-Saulnier Type L hatte ein Hotchkiss-MG auf dem vorderen Rump montiert, das mithilfe von Metalldeflektoren, die die Kugeln daran hinderten, die Propellerblätter zu zerstören, durch den Propellerkreis schießen konnte:

morane_interrupt_1_500 15. Juli 1915 - der erste Luftsieg mit einem Fokker EindeckerEin System – ebenso simpel wie effektiv!
Mit dieser innovativen Technik gelang es dem französischen Fliegeras ab dem 1. April 1915 insgesamt drei deutsche Maschinen abzuschießen, bevor er am 18. April 1915 zu einer Notlandung hinter den deutschen Linien gezwungen wurde. Zwar versuchte er noch, seine Maschine zu zerstören, aber die Morane-Saulnier mit ihrer revolutionären Technik fiel in deutsche Hände! Dadurch ergab sich endlich die Gelegenheit hinter das Geheimnis dieses „direkten Schießens“ zu kommen und die Überraschung war groß, als man deutscherseits feststellen musste, dass es sich um eine relativ simple technische Lösung handelte.
Diese Geschossabweiser wurden sofort erprobt – allerdings musste man feststellen, dass sie zwar mit der relativ „weichen“ französischen Munition hervorragend funktionierten, Versuche mit deutscher Munition jedoch regelmäßig zu zerschossenen Propellerblättern führten – die deutsche Munition war schlicht zu hart für die Geschossabweiser!
Also musste eine andere Lösung gefunden werden und der Holländer Anthony Fokker fand diese Lösung über Nacht – so will es die Legende!

Ein Unterbrechergestänge sorgte dafür, dass das Maschinengewehr exakt dann NICHT schoss, wenn sich die Luftschraube vor der Gewehrmündung befand:

Fokker-Stangensteuerung 15. Juli 1915 - der erste Luftsieg mit einem Fokker EindeckerDie sogenannte „Stangensteuerung“ war jeodch keiner Erfindung Fokkers, sondern geht entweder auf ein Patent des Schweizers Franz Schneider aus dem Jahre 1914 zurück, der damals für die deutsche LVG arbeitete oder war in Anlehnung an ein Unterbrechegetriebe von  Morane-Saulnier entwickelt worden.
Unabhängig von der eigentlichen Quelle: Fokker schaffte es, ein funktionierendes Synchronisationsgetriebe in einen seiner Flugapparate, den Eindecker M5K, einzubauen und dessen Tauglichkeit als Jagdflugzeug zu beweisen – die Fokker Eindecker waren geboren!
Der Militärflieger Otto Parschau tourte mit seiner bewaffneten „A.16/15“ im Mai und Juni 1915 zusammen mit Anthony Fokker durch die verschiedenen Fliegereinheiten und insbesondere Oswald Boelcke, Max Immelmann und Kurt Wintgens lernten von Parschau das „direkte Schießen“ mit dem gesamten Flugzeug.
Diese neuen Jagdflugzeuge wurde in den Feldfliegerabteilungen als Eskorte für die meist zweisitzigen Aufklärungsflugzeuge eingesetzt und es war Kurt Wintgens (FFA 6), der sich in seinem Eindecker E.5/15 am 1. und 4. Juli Duelle mit einem französischen Morane-Saulnier „L“ Hochdecker lieferte – ein Luftsieg wurde jedoch nie offiziell bestätigt.
Erst am 15. Juli 1915, nun in der FFA 48, gelang Wintgens der erste offiziell bestätigte Abschuss mit einem Fokker Eindecker – das Opfer war eine Morane-Saulnier „L“ und ihr Pilot.

Zunächst waren insgesamt nur 15 Eindecker an der gesamten Westfront eingesetzt:
Fünf M.5K mit Maschinengewehren sowie 10 „richtige“ Eindecker E.I.
Immelmann und Boelcke, beide bei der FFA 62 mit Aufklärungsflügen betraut, nutzten ihre freie Zeit, um sich mit den neuen Jagdflugzeugen vertraut zu machen, indem sie sich den Eindecker E.3/15 teilten – Immelmann erhielt später die E.13/15.

Die „Fokker Plage“ begann am 1. August 1915, als britische BE 2 die Basis der FFA 62 bombardierten:
Immelmann und Boelcke starteten mit ihren Fokker Eindeckern und es gelang Immelmann eine der angreifenden britischen Maschinen abzuschießen – mit insgesamt 450 Schuss!

Was dann folgte, war ein regelrechtes „Tontaubenschießen“ Immelmanns, Boelckes sowie weiterer deutscher Piloten:
28 feindliche Flugzeuge fielen den Eindeckern in der zweiten Jahreshälfte zum Opfer und weitere 33 wurden bis zum März 1916 abgeschossen.
Das waren, gemessen an späteren Zahlen, keine gewaltigen Verluste – aber die Tatsache, dass die deutschen „Fokkers“ unbelästigt ihre „Beute“ am Himmel der Westfront machen konnten, führte zu einer geradzu paralysierenden Wirkung bei den alliierten Fliegern.
Als einzige Gegenmaßnahme wurden sämtliche Aufklärer mit einem MG zur Abwehr bewaffnet – bis die Schlacht von Verdun auch im Luftkrieg die Wende brachte:

Ende Februar/Anfang März tauchten neue, unglaublich agile Nieuport-Jagdflugzeuge über der Westfront auf, die nicht nur wesentlich manövrierfähiger als die deutschen Fokker waren, sondern auch in ganzen Staffeln über der Front auftauchten und somit die meist alleine oder paarweise fliegenden Eindecker auf die Plätze verwiesen!

Eduard-Nieuport-11 15. Juli 1915 - der erste Luftsieg mit einem Fokker Eindecker

Bei den Briten war es die einsitzige DH 2, die mit ihrem Druckpropeller nach vorne freies Schussfeld hatte – da sie zudem auch wesentlich wendiger war als die Fokker, war auch hier die Luftüberlegenheit der Deutschen bald Vergangenheit.

Eduard-Airco-DH-2 15. Juli 1915 - der erste Luftsieg mit einem Fokker Eindecker

Nachdem die französischen Nieuport 11 und Nieuport 16 sowie der britische DH.2 am Himmel der Westfront auftauchten, war es vorbei mit der Luftüberlegenheit der Fokker-Eindecker – die letzten Fokker E.III wurden im August und September 1916 von den aktiven Jagdstaffeln abgezogen.

Das Ende der „Fokker-Plage“ bedeutete das Aufkommen der für den Ersten Weltkrieg so typischen Doppeldecker-Jagdflugzeuge:
Als Antwort auf die französischen Nieuport-Anderthalbdecker konstruierten die Deutschen 1916 ihre Albatros D.V und als Antwort auf den Sopwith Triplane des Jahres 1917 wurde der legendäre Fokker „Dreidecker“ geboren … aber das ist wieder eine andere Geschichte!

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