Interview Mig Jimenez

Gewissermaßen als Nachbericht zu meinem kurzen feature über das Museumsfest bei Modellbau König möchte ich heute das Interview, das ich am Rande des Festes mit Mig Jimenez führen konnte, zum Besten geben …

Mig-Jimenez-Portrait Interview Mig JimenezLieber Miguel,

zunächst einmal meinen herzlichen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, unseren Lesern einige Einblicke in Deine Arbeiten zu geben.
Jeder Modellbauer kennt den Namen „Mig Jimenez“ und Deine neue Firma „AMMO of MIG“, aber kaum einer kennt die Hintergründe und Ideen, die für Deine Arbeit für das Hobby stehen.

Fangen wir mit einigen biographischen Details an …

Frage: Wie bist Du zum Modellbau gekommen? Waren es Deine Eltern oder Freunde, die Dich mit dem Hobby in Berührung gebracht haben? Oder hast Du aus eigenen Stücken mit dem Modellbau angefangen?

MIG:  Als Kind bin ich in einer sehr konfliktreichen Stadt groß geworden – mit Terrorismus und vielen Unruhen. Es war eine harte Zeit in den Achtzigern … ich hatte zwei Möglichkeiten: Auf die Strasse gehen und Teil dieser Konflikte zu werden oder in Sicherheit zu Hause zu bleiben und etwas Kreatives zu tun.
Bei den klassischen Tätigkeiten meiner Jugend -Fußball und Mädchen- war mir kein großer Erfolg beschieden, also bestand meine Alternative im Modellbau!
Da ich damals in der Nähe eines Bahnhofes wohnte, wurde dieser zu meinem Fluchtpunkt und einer Quelle der Inspiration für mich.
Mein Ursprung als Modellbauer liegt also im Eisenbahnbereich. Doch dann entdeckte ich bei meinem Onkel ein Lexikon zum Zweiten Weltkrieg und entdeckte, zusammen mit einem Freund, meine Liebe zu Panzern und zum Militärmodellbau.

Ich glaube, jeder wird mit einem Talent geboren und dieses Talent kann sich in Begeisterung und sogar in eine Art Lebensphilosophie ausweiten.
So war es bei mir:
Ich erinnere mich immer an diese frühe Begeisterung für Modellbau und mit dem Sammeln von Erfahrungen, dem Aneignen von speziellen Arbeitsweisen durch die Praxis sowie dem Vorbildstudium kann man zu einem wahren Profi werden.
Diese Begeisterung, dieses Talent sind in jedem – man muss sie nur rauslassen!

Frage: Jede Modellbauer-Generation hat ihre „Helden“ – in meiner Jugend war das vor allem Francois Verlinden, der uns mit seinen Dioramen und Modellbautechniken beeinflusst und uns mit seinen Büchern neue Horizonte im Hobby eröffnet hat
Wer hat Deine Entwicklung als Modellbauer am meisten beeinflusst?

MIG:  Verlinden – so wie bei vielen von uns. Ich glaube, er war die Hauptquelle der Inspiration für unsere Generation in den 1980er und 1990er Jahren.
Ein Freund gab mir ein kleines Verlinden-Buch mit jeder Menge Dioramen und ich habe jeden Tag die Bilder angeschaut und versucht, herauszufinden, wie Verlinden seine Dioramen gestaltet und wie er die Figuren und Fahrzeuge bemalt!
Jahrelang war dies die einzige Quelle für mein Modellbaustudium: Ein altes Buch voller Bilder, aber ohne „step-by-step“ Anleitungen oder sonstige weiterführende Informationen! Eine Art „showcase“-Buch.
Dieses Buch blieb für Jahre die einzige Quelle meiner Inspiration.

Frage: Wo wir gerade bei Francois Verlinden sind: Er war nicht nur einer der einflussreichsten Modellbauer seiner Zeit, sondern zugleich ein begnadeter Geschäftsmann. Einer, der sein Talent und seine Begeisterung für Modellbau mit einer neuen Geschäftsidee zu verbinden vermochte: Seine eigenen Produkte an die Modellbauer zu verkaufen, die von ihm begeistert waren und ihn als Vorbild ansahen. Gibt es da Parallelen zu Mig Jimenez?

MIG:  Na klar gibt es unübersehbare Parallelen – aber mehr durch Zufall:
Verlinden fing an, seine Gipsbausätze von Gebäuden im eigenen Laden in Belgien zu verkaufen und danach auch seine Bücher.
Ich selbst fing mit einigen Resinbausätzen, hauptsächlich aber mit Pigmenten und Weathering Produkten an.
Während Verlinden hauptsächlich Dioramen und Zubehör produzierte, legte ich den Schwerpunkt auf Material zur Bemalung und Alterung.

Seit meinen ersten Beiträgen 1995 bin ich nun soweit, sagen zu können, ich habe mir meinen eigenen Bemalungsstil und meine ganz eigenen Techniken bei Lackierung und Alterung erarbeitet.
Modellbauer aus der ganzen Welt wollten meinen persönlichen Stil bei ihren Modellen umsetzen und hier nahmen dann die MIG-Produkte ihren Anfang:
Ich hatte die Lösungen für die Probleme anderer Modellbauer und meine Philosophie lautet: Wenn dieses oder jenes Produkt nützlich für mich ist, dann könnte es auch nützlich für andere sein!

Aber auch nachdem ich meine ersten Versuche mit meinen eigenen Produkten gestartet hatte, war Francois Verlinden immer ein Vorbild für mich.  Nach vielen, vielen Jahren besuchte ich ihn in den USA, besichtigte seine Fabrik und war einige Tage mit ihm zusammen … wir haben sogar eine gemeinsame Projekte besprochen!
Aber in dieser Zeit begann auch der Niedergang des „Verlinden Imperiums“:Neue Konkurrenten am Markt und die Unfähigkeit, sich neuen Gegebenheiten durch Innovation anzupassen führten sehr schnell zum Niedergang!

Ich glaube wirklich, dass jeder Modellbauer seine eigene Persönlichkeit hat – einzigartig und unterschiedlich zu anderen … alles, was Du machst ist einzigartig, weil Du Deinen eigenen persönlichen „touch“ hast.

Mig-Jimenez-at-work Interview Mig Jimenez
Alle meine Unternehmungen haben ihren Ursprung darin, dass ich versuche, meinen Modellbaukollegen zuzuhören: Ihre Bedürfnisse zu erfahren, ihre Fragen und ihre Probleme kennenzulernen und dadurch zu versuchen, ihnen Lösungen an die Hand zu geben, die ich durch meine jahrelange Erfahrung parat habe und ihnen Qualitätsprodukte zu offerieren, mit denen sie schnell und effektiv zu Ergebnissen kommen können.

AMMO ist jetzt das wichtigste Projekt meiner Karriere. Es ist das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit und ich habe versucht, aus den Fehlern der Vergangenheit bei einzelnen Produkten und auch beim Schreiben und Herausgeben von Texten zu lernen und stetig besser zu werden.
Ich bin wirklich glücklich über mein Team und die Arbeit, die wir gemeinsam machen: Wir alle versuchen jeden Tag ein bißchen besser zu werden in unserer Arbeit für unsere Kunden und Fans.

Frage: Es steht außer Frage, dass Du sehr viel für die Verbreitung und Propagierung unseres Hobbys getan hast – entweder durch workshops oder durch die vielen unterschiedlichen Produktet, die Du während der vergangenen Jahre auf den Markt gebracht hast.
Und Du hast auch ein wenig „Stil“ in unser Hobby gebracht.
Waren das alles Deine eigenen Ideen oder hast Du einen Stab von Mitarbeitern, die Dir mit neuen Denkanstößen bei der Realisierung Deiner Ideen zur Seite stehen?

MIG:  Zu Beginn habe ich tatsächlich alle Ideen selbst entwickelt. Ich war versunken in meinem eigenen Univesum von Farben und Effekten und habe versucht, allen Techniken, die ich in Gedanken schon entwickelt hatte und die mein Gehirn durchfluteten, eine Gestalt zu geben.
Diese Techniken entstanden aus der dauernden Beschäftigung mit meinen Modellen – ich habe täglich Modelle lackiert, bemalt und gealtert und durch diese Arbeit wurden wie von selbst neue Ideen und Techniken geboren.
Aber nach Jahren habe ich mich dazu entschieden, mit Mitarbeitern in einem Team zu arbeiten: Niemand kann lange alleine arbeiten und Teamarbeit ist ein Schlüssel zum Erfolg.
Aber ich muss leder auch gestehen, dass Teamarbeit auch zum Problem werden kann: Viele meiner Ideen wurden von meinen ehemaligen Mitarbeitern und Kollegen kopiert und von ihnen dann vermarktet!
Dennoch glaube ich fest daran, dass man seinen Mitarbeitern und Freunden vertrauen muss und wenn ich eine Idee für ein neues Produkt habe, dann arbeiten alle im Team daran, es zu perfektionieren: Design, Kreativabteilung, Marketing, Produktion – alle arbeiten gemeinsam daran, ein wirklich neues Produkt zu kreieren, das die Modellbauer auch tatsächlich weiterbringt!
AMMO ist mittlerweile ein wirklich großes Unternehmen geworden im Vergleich zu meinen bescheidenen Anfängen mit all ihren Erfolgen und Misserfolgen.
Ich fühle mich mittlerweile als eine von vielen Komponenten der Maschine „AMMO“ und ich bin auch ein wenig stolz auf diese wirklich fantastische Gruppe von Leuten, die mir bei meiner täglichen Arbeit helfen:
Mittlerweile haben wir bei AMMO 22 Mitarbeiter, die eine riesige Palette an Produkten, Büchern und Magazinen produzieren.
Aber, ganz ehrlich: Die meisten Entscheidungen treffe immer noch ich …

Modellbau-König-Sommerfest-6 Interview Mig Jimenez

Frage:  Was war das erste Plastikmodell, dass Du gebaut hast und von wem hast Du es bekommen?

MIG:  Ich denke oft an meinen ersten Bausatz zurück: Ein Cursader III von Italeri. Davor hatte ich meine eigenen Bausätze aus Plastilin und Pappe gebaut (die Eisenbahnzeit!) und mit Akrylfarben bemalt.
Und dann dieser Bausatz – für mich ein Schock: Ich habe damals gar nicht verstanden, wie man eine solche Fülle an Details herstellen und eine solche Genaugkeit im Vergleich zum Orignal bewerkstelligen kann!
Der Crusader wurdemir von meinem Vater gekauft – nicht ohne Hintergedanken: Ich sollte ihn während eines Campingurlaubs bauen – aber einen tag, bevor wir in Urlaub gefahren sind, war das Modell fertig und mein Vater war ziemlich sauer auf mich!
Aber durch diesen Bausatz habe ich meine Liebe zum Modellbau entdeckt und rückblickend kann ich sagen, dass er mein Leben verändert hat: Schau mich nur an!

Frage: Welchen Bausatz aus „vergangenen Tagen“ würdest Du bevorzugen und welcher aktuelle Kit ist Dein Favorit?

MIG:  In der Vergangenheit gibt es nicht wirklich ein Bausatz den ich bevorzuge, sondern eher eine Marke, der ich nachtrauere: SKYBOW aus Taiwan: Die haben unglaubliche Kits hergestellt – einfach zu Bauen aber mit einer überragenden Qualität und einer unglaublichen Detailfülle.
Für mich eine ausgewogene Marke. Aber Skybow wurde irgendwann von AFV Club übernommen und ich arbeite noch immer mit alten Skybow-Bausätzen unter dem AFC Club Label. Aber es ist dennoch schade, dass die Marke nicht weiter exstiert.
Bei den aktuellen Bausätzen sind es vor allem zwei Hersteller, die den Markt neu gestalten:
TAKOM ist ein Hersteller, der unglaublich attraktive Bausätze von einer genialen Orginalität herstellt: Einfach zu bauen und dennoch sehr akkurat. Seit den Anfängen dieser Make arbeiten wir bei AMMO mit TAKOM zusammen. Zum Beispiel war das „full interior“ des neuen Königstigers unsere Idee und viele Details des Kits wurden von uns beeinflusst. Auch der AMX13 ist eines „unserer Babys“ sowie eine ganze Reihe weiterer schon erhältlicher oder zukünftiger Bausätze.
Ein weiterer Hersteller, der in der nahen Zukunft sehr wichtig für unser Hobby werden wird, ist RYEFIELD:  Deren Produkte zählen zum Besten, was derzeit auf dem Markt ist, weit überlegen im Vergleich zu MENG oder anderen Herstellern. Wir können Einiges in naher Zukunft von RYEFIELD erwarten und wir arbeiten gerne mit diesem Hersteller zusammen.

Frage: Wo siehst Du unser Hobby in, sagen wir, 10 Jahren?

MIG:  Ich glaube, die Kunst des Modellbaus lebt mit und durch uns:
Wir drücken als Modellbauer unsere Gedanken über den Alltag durch unsere Arbeiten aus und dadurch hat unser Hobby immer einen Anlass, Konflikte in Miniaturform darzustellen … wir erzählen durch unsere Modelle die Geschichte. Und das wird es immer geben.

Aber ich sehe auch eine regelrechte Revolution bei neuen Produkten, und neuen Techniken … aber darüber werde ich zur Zeit kein Wort verlieren, weil wir bei AMMO gerade an diesen neuen Dingen arbeiten!
Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends haben wir eine Revolution im Modellbau erlebt – nicht zuletzt Dank unserer eigenen Produkte wie Filter, Pigmente, Washes, Farbmodulation etc.
Andere Firmen versuchen nun, mit Hilfe dieser Ideen auf dem Markt zu überleben … ein Beleg, dass wir damals richtig lagen.
Was sich jetzt, in der Mitte der zweiten Dekade, ankündigt, ist eine zweite Revolution des Modellbaus:
Neue Techniken, die es insbesondere jungen Modellbauern ermöglichen werden, ihr Hobby mit einfachen Mitteln weiterzuentwickeln. Die Modellbau-„Veteranen“ sind durch unsere Produkte und Techniken mittlerweile auf einem Level angelangt, das es Anfänger unmöglich macht, noch mitzuhalten. Frustration wird die Folge sein! Unsere Aufgabe für die Zukunft muss es also sein, zurückzugehen zu den Anfängen und Basistechniken zu lehren und Produkte zu entwickeln, die es auch jüngeren Modellbauern ermöglichen, sich dem Level der „Profis“ anzunähern. So gewinnen wir auch neue Modellbauer …
Unser Hobby wird es noch viele Jahre geben – aber vielleicht nicht mehr so, wie wir es kennen, sondern mit einem völlig anderen Gesicht, mit völlig unterschiedlichen Themen und neuen Techniken.
Anfänge davon kann ich immerwieder bei meinen Reisen beobachten.

Miguel – vielen Dank für dieses sehr aufschlussreiche Interview. Ich denke, unsere Leser haben einen schönen Eindruck von Deinem Denken und Deiner Motivation gewonnen und einen Einblick in die Arbeitsweise bei AMMO.

Dr. Michael Brodhaecker, Lingen