Heute möchte ich mich einem optisch sehr ansprechenden LKW aus den guten alten 70ern/80ern widmen. Ich habe nicht all zu viele LKW bisher gebaut, zumindest keiner aus dem Hause Heller …
Meine Erfahrungen im „schweren Fahrzeugsektor“ habe ich mit alten 1/25er Matchbox, MPC oder AMT gemacht, weil mich die modernen Lastkraftwagen nicht ganz so vom Hocker hauen. Sind doch die alten noch robust und vor allem optisch zu unterscheiden. Einen Italeri Scania der neueren Generation habe ich schon hinter mir, so ist ein Urahn dessen doch gerade recht, um ihn dem Jungen in der Vitrine zur Seite zu stellen.
In der Bauanleitung fängt Heller auch gleich mit einer kleinen Geschichte des Scania an – das gefällt mir immer wieder, wenn der Hersteller uns Modellbauer auch mit der Geschichte des Originals versorgt. Wer ihn anhand des Schachtelbildes in den 70ern einordnet liegt genau richtig:
Der Bausatz erschien erstmalig 1979 unter der KitNr 770 – also zwei Jahre nach offizieller Markteinführung des Originals – und hat bislang sechs Wiederauflagen erfahren. Ein Ausreißer ist unter dem Label von Airfix zu finden, ansonsten blieb er Heller treu.
Das damalige Schachtelbild ist exakt dasselbe wie bei der jetzigen Auflage (KitNr.80773). Das mag ich an Heller. Sie präsentieren Ihre neuen Auflagen mit dem ursprünglichen Schachtelbild, aber schaffen den Sprung zur Moderne mit ihrem recht frischen gelben Outfit.
Den praktischen Karton zum Aufklappen kann ich nicht genug loben, erleichtert es das verstauen der Bauteile und schafft ein ordentliches Verschließen. Der Karton hat wie jetzt bei Heller üblich auf der Bodenseite die benötigten Farben von Heller / Humbrol / Revell, auch hier die Geschichte zum Original mit technischen Daten sowie die verschiedenen Decalvarianten. Mir gefällt das außerordentlich gut und werde langsam ein Fan von ihnen.
Beim öffnen das Karton habe ich festgestellt, das nur die Chrom und Klarteile in Tüten verpackt waren. Sämtliche grauen Spritzlinge waren ohne Tüten:
Also was gibt’s alles? Angegeben ist er mit 210 Bauteilen was ich gerne glauben mag. Verteilt sind sie auf 4 grauen und 4 Chrom-Spritzlingen, einen klaren Spritzling für die Verglasung. Dann ist da noch die Bauanleitung mit den Decals und lose hineingeschmissene „Halbreifen“, 12 Stück an der Zahl zu je vier an einem Gummiast.
Das es nachteilig sein kann, wenn die Spritzlinge nicht verpackt sind, hat mein Modellbaukollege bei demselben Bausatz leider erfahren müssen.
Es kann zu Brüchen von Teilen kommen, oder durch den fast sehr prall gefüllten Karton zu Verformung von Bauteilen.
Bei meinem Exemplar mag ich vorausschicken, dass alles bestens ist. Man sieht zwar hier auf ein, zwei Bildern der Karosserie extreme Fischhäute – das ist aber unkritisch:
Was mir sofort aufgefallen ist, ist der zweiteilige Rahmen. Hier hat Heller „untypischerweise“ ein Rahmen in Ober- und Unterteil gewählt. Nun, besser als den Leiterrahmen in Einzelteilen bauen zu müssen, wie es z.B. bei Italeri der Fall ist. Das lässt einen geraden Rahmen ohne Verzug erwarten:
Mir gefallen an vielen Bauteilen die Oberflächen und sie sind präzise gespritzt. Ob Fahrerhausunterseite oder der durchbrochene Grill – sehr gut!
Bei den Chromteilen trübt sich etwas meine Freude. Ich habe hier zwei identische Spritzlinge für Tanks und Felgen – und …
… ein Sitz:
Ich dachte erst, das ist nicht ihr Ernst, das muss etwas anderes sein und schaute in die Bauanleitung:
Ja, es ist ein Sitz. Warum das? Die Lehnen befinden sich bestens mit super Oberfläche an den grauen Spritzling:
Dieser Kunstgriff(?) – ich weiß ehrlich nicht, wie ich das nennen soll – macht es dem ungeübten Modellbauer wieder unnötig schwer…entchromen? Wie mach ich das. Einfach lackieren? Ausgeschlossen. Das ist sehr ärgerlich!
Mit den Chromteilen, die in der Bauanleitung als Optional einher gehen, geht es aus meiner Sicht weiter:
Fetter Grill, zu dicker Chrom – das sieht man in der Detailaufnahme:
Auch hier muss Hand angelegt werden. Auf den Grill kann getrost verzichtet werden oder man beschafft sich Teile (Ätzteilegitter) aus dem Aftermarketbereich. Alles entchromen? Nein. Ich lasse diese optionalen Bauteile in der Schachtel. Darauf verzichte ich gerne.
Der vierte Bogen mit den Scheibenwischern und Spiegeln ist wieder in Ordnung und sorgt für bessere Stimmung. Die Angussstellen sind etwas zu dick, etwas mehr Nacharbeit und Ausbesserung steht hier an:
Ich stelle mir mit dem Blick auf das Schachtelbild die Frage, weshalb diese Spritzlinge überhaupt in Chrom gebadet wurden? Bei dem Original sind diese Teile alle in Rahmen- oder in Karosseriefarbe!
Was bleibt noch übrig?
Zum Einen die Klarsichtteile. Hier hat Heller die Türinnenverkleidung mit den Türscheiben zusammen gelegt. Das ist mir durchaus nicht fremd und ich finde es nach wie vor eine nicht ganz schlechte Lösung. Das Abkleben geht überraschend einfach. Was die Sicht wahrlich trübt ist die Dicke der Verglasung. Ganz so klar und ohne Lupeneffekt oder Verzug sind sie nicht. Das ist etwa schade:
Komme ich noch zu den Reifen:
Wie eingangs erwähnt sind die Reifenhälften (leider) lieblos in der Schachtel zu finden. Lieblos deshalb, weil die sich an den unverpackten, grauen Spritzlingen verheddern und so filigrane Bauteile beschädigen könnten.
Gut ist, dass sie mit Reifenaufschrift und sehr schönem Profil versehen sind:
Meine Befürchtung, dass beim Zusammenkleben der jeweiligen Hälften unschöne Naht oder Spalte auftreten können ist bei der probeweisen Montage eines Reifens unberechtigt. Sie sehen gut aus!
Bevor ich zur Bauanleitung komme gibt es noch Decals. Heller hat uns für vier Farbvarianten Decals beigelegt. Nun kann man sich wundern, dass der Decalbogen nun groß ausfällt?
Tut er nicht, denn der Schwerpunkt bei den Zugmaschinen liegt bzw lag meistens in der farblichen Gestaltung. Und das zeigt uns Heller auf zwei schönen Seiten:
Die Decals sind gestochen scharf gedruckt, die Farben gut übereinander und ohne Versatz:
Die Bauanleitung im Anschluss lässt manch Geheimnisse offen und man muss schon sehr genau den Linien folgen, wo die einzelnen Bauteile platziert werden müssen. Im Bauschritt 12 …
…ist das sehr verwirrend und ich habe auch lange benötigt, um durch zu blicken. Dabei ist mir obige Linie aufgefallen, die falsch eingezeichnet ist. Nun, die Achse gehört von unten an die Blattfedern, so müsste die Linie durchbrochen sein, wie es in anderen Bauschritten gezeichnet ist 😉
Ansonsten ist sie sauber gestaltet. Die Farbangaben in den einzelnen Bauschritten, Kleben oder nicht kleben und wie an den Achsteilen das verschmelzen damit die Räder lenkbar bleiben – soweit ist das in Ordnung:
Mein Fazit und abschließende Worte:
Der Bausatz ist durchgehend sauber und präzise gegossen. Kein feststellbarer Verzug, keine Fischhäute, bei mir keine defekten Teile. Die Bauanleitung lässt bei ordentlichem Studieren (und Probieren) kaum Rätsel offen.
Die Bauweise des Fahrerhauses lässt mich noch etwas vage einen reibungslosen Bau erwarten. Ich denke, dass bei modernen LKW die Bauweise, zuerst das Innenleben zu bauen um das dann in die Karosserie ein zu schieben einfacher erscheinen, als es bei diesem Scania der Fall ist. Durch die mehrteilige Karosserie (Hinterteil, Front, Türen, und Dach sowie Radhaus und Kotflügel…und Kühler etc.) stelle ich mir das vorherige Lackieren der Einzelteile und ein sauberes Verkleben etwas kompliziert vor. Ob es möglich ist, das Fahrerhaus zuerst zu verkleben und lackieren um danach die Innereien hinein zu stopfen …. das ist fraglich.
Was mich noch mehr ärgert ist die fette Chromschicht und vor allem die verchromten Sitze. Speziell bei diesem Bausatz wäre es deutlich sinnvoller, keine Verchromten Bauteile in die Packung zu legen und nach Bedarf (!) kann das der geübte Modellbauer verchromen. Denn wie oben erwähnt hat das Vorbild absolut keine Chromteile! Also, Heller: warum? Die wenigen Türgriffe oder Reflektoren der Leuchten sind easy mit Molotow-Stiften zu bewerkstelligen…da muss nix in Chrom gebadet werden.
Ich mag die alten LKW und stelle mich bei Bausätzen der 70er/80er immer darauf ein, etwas mehr „arbeit“ für ein mehr als gute Ergebnis zu investieren. Genau das trifft auf diesen Bausatz zu:
Er erfordert etwas mehr Denkarbeit in den Montageschritten und etwas mehr Vorrausplanung. Hier ist es nicht einfach mit drauf los bauen. Bauanleitung genauer studieren, Bauschritte ohne Klebstoff probieren und dann geht’s ran. Und alles entchromen. So wird es sein.
Erhältlich bei Modellbau Universe
Dominik Weitzer, Modellbaustammtisch Recklinghausen