Revell, wir müssen reden – schon wieder einmal!
Hurra! Hier ist er (endlich): Der VW Corrado von Revell!
Nach der Ankündigung vor fast einem Jahr liegt der Bausatz hier auf dem Tisch und ich kann es nicht erwarten, ihn zu begutachten …
Auch in den Ankündigungen in mehreren Foren und auf Messen war vermehrt „New“ und „neue Teile“ etc. heraus zu hören und ich dachte mir, dass Revell den aus meiner Kindheit bekannten Bausatz – erschienen 1990 unter der #7329 – dasselbe Glück zukommen lassen, so wie sie mit VW T1 (# 07399) aus der Hasegawa Form eine Neuentwicklung auf den Markt brachten. Oder man denke an den Jaguar E-Type:
Aus dem grottigen Entlein von 1970 (#H-1279) wurde 2020 ein wunderschöner Schwan (#07668)!
Was schreibt der Hersteller? Zitat:
[…] Zelebrieren Sie mit uns 35 Jahre VW Corrado und holen Sie sich ein Stück Automobilgeschichte nach Hause! Der maßstabsgetreue Modellbausatz des VW Corrado im Maßstab 1:24 wurde mit Präzision und Liebe zum Detail entworfen. Dieser Bausatz überzeugt durch hoch detaillierte Teile und ein realistisches Design. Jeder Aspekt des Originalautos wurde sorgfältig nachgebildet, von der mehrteiligen Karosserie bis zum strukturierten Innenraum. Mit 77 präzisen Teilen bietet dieser Bausatz eine herausfordernde und dennoch lohnende Erfahrung, die sich perfekt für Modellbauer ab 12 Jahren eignet.
Lieferumfang:
- Mehrteilige Karosserie
- Strukturierter Innenraum
- Mehrteiliger Motor
- Kleber, Farben und Pinsel
- Detaillierte Anleitung
Dieser Bausatz ist ideal für fortgeschrittene Modellbauer, die nach einer anspruchsvollen Bauherausforderung suchen. Geeignet für Personen ab 12 Jahren, ist er ein Muss für VW-Enthusiasten und Modellsammler. Das fertige Modell eignet sich perfekt für Ausstellungen, Sammlungen oder einfach, um es stolz auf Ihrem Schreibtisch oder Regal zu präsentieren.
Besondere Merkmale:
- Detailreichtum: Jedes Stück wurde sorgfältig gestaltet, um die Feinheiten des VW Corrado widerzuspiegeln.
- Komplettes Set: Alles, was Sie für den Zusammenbau benötigen, ist im Paket enthalten – von Kleber und Farben bis hin zu Pinseln.
- Authentizität: Dieser Bausatz ist eine Hommage an den VW Corrado, ein Fahrzeug, das sich durch seine Einzigartigkeit und Seltenheit auszeichnet. […]
Super! „Jedes Stück wurde sorgfältig gestaltet, um die Feinheit des Corrado widerzuspiegeln“!
Mehr möchte ich nicht ergänzen und lasse das auf mich wirken.
Ich übernehme noch die Hintergrundinformation …
[…] Der VW Corrado wurde 1988 eingeführt und setzte sofort neue Maßstäbe in seiner Klasse. Trotz seiner beeindruckenden Leistung und seinem ansprechenden Design wurde das Fahrzeug nur in begrenzter Stückzahl hergestellt, mit nur 97.535 Exemplaren, die jemals produziert wurden. Dieser Modellbausatz erweckt dieses seltene und ikonische Auto wieder zum Leben, sodass Sie ein Stück Automobilgeschichte direkt in Ihren Händen halten können. […]
…und stelle fest, dass ich den Corrado in freier Wildbahn schon lange nicht mehr gesehen habe und dass er schon 35 Jahre alt wird…wie die Zeit rennt und ich alt werde. Ich kann mich noch an die Lehrzeit im V.A.G Betrieb erinnern….
Los geht’s. Zum lang ersehnten Bausatz
Zuerst fällt mir der größere Karton auf. Das lässt doch mehr vermuten. Seitenöffner (unpraktisch wie immer), alles in allem ist der Karton auch „wie immer“ gestaltet. Schönes Deckelbild, auf der Rückseite Randinformationen zum Modell, benötigte Farben, Bilder vom gebauten Modell und ein Bild der Spritzlinge
Was erwartet uns, wenn wir den Bausatz ausschütteln?
Etwas spärliche, drei graue, einen Klarteilebogen. Dazu die Karosserie und die Gummireifen. Selbstverständlich die Bauanleitung in Farbe und Decals. 77 Teile. Ich komme auf nur 75 Teile, ohne Bauanleitung und Decals. Zweimal nachgezählt.
Ach ja, dann sind da noch Kleber, Farben und Pinsel enthalten.
Die Qualität der Bauteile läßt schon auf den ersten, flüchtigen Blick keinen durchweg positiven Eindruck erscheinen, selbst als ich noch vor dem Entnehmen aus den Plastiktüten einen Blick darauf warf. Mir gefällt definitiv die Kunststoffqualität, die sich deutlich von den weißem, in China gespritzten Bausätzen abhebt. Das war es aber auch schon:
Die Karosserie – schön. Ein Corrado ist zumindest zu erkennen, Qualität sieht leider anders aus. Das nehme ich vorweg. Ich gehe später in die Details:
Klarteile? Vorhanden!
Die Reifen aus Vollgummi, erfreulich mit Reifenaufschrift wie in der ersten Ausgabe:
Und das war es schon mit den Spritzlingen. Jaja…Bauanleitung und Decals….kommt später.
Die Bauteile sind anders als erwartet nicht überarbeitet – geschweige denn „neu“!.
Das erinnert mich sehr an mein Review des LKW 2-Tonner von Revell.
Ach so, da war noch was:
Farben, Kleber und Pinsel. Besserer Pinsel als sonst, aber mit „viel Liebe“ eingepackt – schaut euch die ehemalige Pinselspitze oben links an!
Schauen wir uns die Bauteile etwas im Detail an. Es gibt auch Positives…
Schön gestalteter Motorraum …
… Innenraum mit erkennbaren Strukturen auf Sitzflächen und Fußboden …
… und gut detaillierter Unterboden:
Auch die Motorenteile sind präzise, das Lüftergehäuse links oben im Bild dagegen langweilig:
Schauen wir uns weiter um…
Auswerfermarken und Fischhäute an der Achse:
Sinkstellen selbst an den Felgen:
„Hoch detailierte“ Rückleuchteninlays(?):
Mein persönlicher (noch-)Favorit:
Die Außenspiegel!
Sagt mal…was soll das?!? Zu den Außenspiegeln komme ich später nocheinmal.
Und jetzt muss ich unterbrechen um wieder von Revell zu zitieren:
[…] für fortgeschrittene Modellbauer, die nach einer anspruchsvollen Bauherausforderung suchen. […]
DA stimme ich voll und ganz zu! Schon jetzt!
„Hoch detailierter“ Kühlergrill:
Flach wie eh und je mit flachen Scheinwerferinlays. Anscheinend der Stand der Technik „NEW“.
„Hoch detailierte“ Rückleuchten – auch die greife ich später noch einmal auf:
Durchsichtige Scheiben sehen anders aus….ohne die Welligkeit zu beachten …
… oder die trotz Einzelverpackung verkratze Heckscheibe:
Mit den Spritzlingen bin ich durch und nun bin ich so frei um nur die Außenspiegel mit meinem Corrado Cabrio (#7333) zu vergleichen.
Der weiße Spritzling ist der von 1991 – er war schon damals anspruchsvoll zu entgraten. Aber es war zumindest noch machbar. Die heutige Ausgabe setzt meinem damaligen Verzweifeln jedoch noch einen drauf:
Genießt das Bild, jetzt kommts nämlich – dem a b s o l u t e n Highlight – die Karosserie:
Liebe Leute. SO etwas habe ich noch nicht gesehen. Formenversatz der Dachhaut vom Allerfeinsten:
Haubensicke, wo bist du?
Verwaschene Abrißkante des Heckspoilers mit keinerlei Sicken des ausfahrbaren Spoilers (das war damals eine Sensation!) …
Und zum „krönenden Abschluss“ noch Sinkstellen auf der Unterseite des Spoilers. DAS ist wirklich hardcore!
Ich zitiere Revell:
[…] Der maßstabsgetreue Modellbausatz des VW Corrado im Maßstab 1:24 wurde mit Präzision und Liebe zum Detail entworfen […]
Gewiss!
Die fetten Auswerfermarken am Dachhimmel innen machen den Käse nun auch nicht mehr fett:
Wer jetzt meint, ich habe ein Ausnahmebausatz in schlechter Qualität erwischt, den kann ich beruhigen:
Nein, habe ich nicht! Mein Bruder hat einen noch (!) schlechteren, von meinen Freunden in Portugal und Griechenland habe ich das selbe gesehen, in Social Media Kommentaren sieht es derzeit nicht besser aus und ist dann doch beruhigend, dass meiner keine Ausnahme ist. Die durchweg fetten Angußmarken – nur eine Randnotiz, da sowieso fast jedes Bauteil bearbeitet werden muss.
Der Decalbogen ist ausgezeichnet! Wie bei vielen letzten Wiederauflagen macht da Revell einen sehr guten Job. Die sind wirklich präzise gezeichnet und würden das Modell sehr aufwerten – wenn die Basis nicht so grottig wäre. Embleme und Schriftzüge, Sitzpolster und selbst für die Zierleisten (Nr.20) sind sie dabei:
Erfreulich:
Die Decals Nr.17 und Nr.18 sind die Leisten auf dem Dach – das ist clever! Denn wenn man um den Formenversatz auszubügeln schon das Dach radikal glatt schleifen muss, dann kann man die Schwarzen Dachleisten wenigstens flach aufbringen.
Ein gravierender Fortschritt dieses mal bei den Kennzeichen – und das ist wirklich neu(!): alle Kennzeichen sind realistisch möglich und entsprechen sogar der Systematik der einzelnen Länder! Nur beim Italienischen (Nr.24) übers Ziel hinaus, denn die Ziffernfolge von Genua ging nur bis GE.E72000. Peanuts!:
Letztendlich komme ich zur Bauanleitung:
Revelltypisch in Farbe und Design, kann man auf den ersten Seiten die Bauhinweise, Sicherheitsbestimmungen und Erklärsymbole lesen, dann die übliche Farbverwendung mit nur zwei Mischungen verinnerlichen (wobei ich rot mit rot 70/30 nicht sinnig erachte) und sich einen Überblick über die Bauteile schaffen. Dann leitet sie uns in 40 Schritten zum finalen Decalieren. Alles klar. Da ist nichts wirklich überraschendes oder grobe Fehler drin.
Jedoch steckt hier und da auch der Teufel im Detail
Die Einbaulage von 5o sollte konstruktiv bedingt von Revell fixiert sein …
… denn das selbst Messen und dann irgendwie zu verkleben scheint für mich an dieser Stelle – moment, Zitat:
[…] eine herausfordernde und dennoch lohnende Erfahrung […]
Bemalen der präzise ausgeprägten Rückleuchten. Zur Erinnerung:
Wo sind die Markierungen? Trennlinie orange-rot? Viereck für Rückfahrleuchten? Fehlanzeige! Ausgewaschen.
Meine Lieblinge, die Spiegel. Hier setzt Revell ein Klarteil ein, nachdem ich die Innenseite mit Silbermetallic ausgemalt habe:
In diese Gehäuse:
Mit vertieftem Viereck. So wird ein Spiegel zum Röhrenfernseher.
Warum legt man dafür nicht wenigstens Decals dabei? Oder noch besser: kleine Chromteile?
Antenne aus Gußast ziehen – das beherrscht jeder alter Hase ?:
Und dann auf einen Antennenfuß kleben. Diesen hier:
Dass es andere Hersteller schaffen, den Modellbauer mit fertigen (!) Dachantennen zu verwöhnen? Ja, Fujimi zum Beispiel beherrscht das schon ewig!
Aber vielleicht liegt es ja am Alter der NICHT überarbeiteten Form?
Mein Fazit und abschließende Worte
Ich habe noch nie (!) einen heiß ersehnten Bausatz nach dem ersten Auspacken eine Woche ruhen lassen, um ihn überhaupt noch unter die Lupe zu nehmen!
Normalerweise hätte ich diese Besprechung schon nach dem Auspacken jemandem anderen überlassen können – aber nein! Ich habe auf den Corrado, „NEW“ , gewartet, da die ersten Auflagen kaum und zu überhöhten Preisen zu bekommen sind. Und ich wollte ein Modell jetzt „NEW“, an dem ich damals als junger Bub gescheitert bin!
Für mich ist es unfassbar, dass eine Bausatzform in der dritten Auflage (Erstausgabe 1990 #7329 und Wiederauflage 1991 #7341) weder überarbeitet, noch überprüft wird, was da überhaupt aus der Form geschossen kommt!
Es ist für mich nicht mehr nachvollziehbar, dass Revell wieder mit „NEW“ auf dem Karton protzt und den alten Kram von 1990 in noch mieserer Qualität verpackt zu einem stolzen Preis von 50 Euro auf den Markt wirft!
Ich zitiere wiederholt von der Revell Seite:
[…] Der maßstabsgetreue Modellbausatz des VW Corrado im Maßstab 1:24 wurde mit Präzision und Liebe zum Detail entworfen. Dieser Bausatz überzeugt durch hoch detaillierte Teile und ein realistisches Design. Jeder Aspekt des Originalautos wurde sorgfältig nachgebildet, von der mehrteiligen Karosserie bis zum strukturierten Innenraum. Mit 77 präzisen Teilen bietet dieser Bausatz eine herausfordernde und dennoch lohnende Erfahrung, die sich perfekt für Modellbauer ab 12 Jahren eignet. […]
Eine Herausforderung? ABSOLUT!
Lohnende Erfahrung? Zu 100% – nämlich: Keine „NEUEN“ Bausätze von Revell Deutschland mehr zu kaufen oder zumindest vorher ganz genau in den Karton zu schauen.
Wenn das Ziel verfolgt wird, den Modellbauer wiederholt zu ärgern, dann herzlichen Glückwunsch, Revell: Das habt ihr erreicht! Was mit dem 2-Tonner Unimog, der ebenfalls mit dem Aufdruck „NEW“ publiziert wurde, losging, habt ihr mit diesem Corrado noch übertroffen.
Ich möchte mich selbst zitieren:
„Das Label „Retro“ statt „NEW“ hätte es getroffen und man weiß, was einen erwartet.“
Wir alle wissen, dass die Modellbauindustrie und ganz besonders die deutschen Hersteller derzeit in einer schwierigen Lage sind und natürlich akzeptiert man, dass die Mitarbeiter ihr „täglich Brot“ verdienen müssen.
Aber muss man dann einen 40 Jahre alten Bausatz, an dessen Formen nichts verändert wurde, mit „NEW“ bezeichnen?
Und muss man parallel dazu diesen uralt-Kit mit einer geradezu peinlich-jubelnden Marketingstrategie unter´s Volk werfen?
So verliert man auf lange Sicht seine Glaubwürdigkeit und sein „standing“ bei den Modellbauern!
Revell, wir müssen ernsthaft Reden!
Und wer sich dennoch selbst einen Eindruck vom Bausatz verschaffen möchte – bitte sehr:
Bei Modellbau König kann man seine 50 Euro investieren.
Dominik Weitzer, Modellbaustammtisch Recklinghausen